01.07.2024 15:06:43 - dpa-AFX: Ökonomen-Stimmen zur Inflationsentwicklung in Deutschland

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Inflation in Deutschland lässt wieder nach. Im
Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des
Vorjahresmonats - nach 2,4 Prozent im Mai, wie das Statistische Bundesamt am
Montag auf Basis vorläufiger Zahlen in Wiesbaden mitteilt. Die Inflationsrate
ohne Nahrungsmittel und Energie - die sogenannte Kerninflation - beträgt demnach
2,9 Prozent. Während sich vor allem Dienstleistungen verteuerten, wurde Energie
günstiger. Gemessen am Vormonat Mai legten die Preise nach Angaben der
Statistiker um 0,1 Prozent zu.

Einschätzungen von Ökonomen zur Preisentwicklung und zu möglichen Folgen für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB):

Ralph Solveen, Volkswirt Commerzbank:

"Die Kernteuerungsrate ist leicht von 3,0 auf 2,9 Prozent gefallen.
Verantwortlich hierfür war ein weiterer Rückgang der Teuerungsrate bei Waren,
deren Abwärtstrend aber bald zu Ende gehen dürfte. Die Teuerungsrate bei
Dienstleistungen lag hingegen stabil bei knapp 4 Prozent. In den kommenden
Monaten könnte die Gesamt-Teuerungsrate zwar zeitweise auf 2 Prozent fallen,
aber die Kernteuerungsrate dürfte sich nahe ihrem aktuellen Niveau und damit
deutlich über dem EZB-Ziel stabilisieren."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:

"Der Kernteuerungsrückgang bleibt also zäh. Dies ist dem kräftigen Anstieg
der Dienstleistungspreise zuzuschreiben. (...) Der Preisanstieg im
Dienstleistungssektor hat sich gegenüber dem Vormonat nicht verändert. Hierin
manifestieren sich einerseits die deutlich gestiegenen Lohnkosten, andererseits
aber auch das veränderte Konsumverhalten. Wurden während der Corona-Zeit vor
allem Waren konsumiert, sind es in der Post-Covid-Ära Dienstleistungen. Das
Freizeitvergnügen steht im Vordergrund. Höhere Lohnkosten können deshalb an die
Kunden weitergegeben werden."

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank:

"Mit Blick auf die Zukunft dürfte die Inflation weiterhin auf einem etwas zu hohen Niveau verharren, da die günstigen Basiseffekte im Energiebereich
auslaufen, während gleichzeitig die Löhne steigen. Angesichts der jüngsten neuen
Lohnforderungen ist eine Abschwächung des deutschen Lohnwachstums in der zweiten
Jahreshälfte kaum zu erwarten. Infolgedessen sehen wir die Inflation weiterhin
in der breiteren Spanne zwischen 2 Prozent und 3 Prozent schwanken und nicht auf
einer geraden Linie zu 2 Prozent zurückkehren."

Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust:

"Auch für die EZB enthält die Junizahl aus Deutschland gemischte
Botschaften. Einerseits ist die Inflation nicht weit vom 2-Prozent-Ziel
entfernt, andererseits liegt die Kerninflation ohne Berücksichtigung von
Energie- und Nahrungsmittelpreisen noch bei 2,9 Prozent. Ein deutlicher Rückgang
in den nächsten Monaten ist aufgrund der recht kräftigen Lohnzuwächse und
steigender Dienstleistungspreise nicht zu erwarten. Weitere Zinssenkungen
dürften daher auf sich warten lassen, zumal Basiseffekte in der Preisentwicklung
die Inflationsraten nach den Sommermonaten wieder etwas steigen lassen dürften."

Ralf Umlauf, Ökonom Landesbank Hessen-Thüringen:

"Noch immer ist die Zielmarke von 2 Prozent nicht erreicht, da sich
europaweit der Preisdruck aber per saldo ebenfalls abgeschwächt hat, dürfte die
Europäische Zentralbank an dem vorsichtigen Zinssenkungskurs festhalten. Eine
Vorfestlegung auf den September wird es aber wohl auch bei der EZB-Konferenz in
Sintra, die heute startet, nicht geben."

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