23.05.2024 10:45:22 - dpa-AFX: SPORT/Im Ferrari statt im Schulbus: Leclerc und der Mythos Monaco

MONACO (dpa-AFX) - Immer wieder gern erzählt Charles Leclerc, wie er als
Kind noch im Schulbus durch Monaco fuhr. "Es sind die gleichen Straßen. Und
jetzt sitze ich hier im Formel-1-Auto, das macht es ganz besonders speziell für
mich", sagte der Ferrari-Star. Die Sehnsucht nach dem ersten Sieg in seiner
Heimatstadt ist auch vor dem Rennen am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) wieder groß, denn
bislang lief es für den 26-Jährigen in seinem Geburtsort nie wie gewünscht.
"Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Jahr stark sind", sagte er.

Als wäre das Rennen im Fürstentum an der Côte d'Azur nicht schon einzigartig genug, hat es für Leclerc noch einen ganz eigenen Reiz. "Er hat mit der Strecke
noch eine Rechnung offen. Wir wollen ihm helfen, dass das endet", sagte Ferraris
Teamchef Fred Vasseur.

Zweimal stand die Nummer eins der Scuderia schon auf dem ersten Startplatz,
doch ins Ziel kam Leclerc nie als Sieger, schaffte es nicht mal auf dem Podest.
Ein vierter Rang vor zwei Jahren ist das beste Resultat des fünfmaligen
Grand-Prix-Siegers, der zuletzt im Juli 2022 in Österreich gewinnen konnte.

Die Qualifikation zählt: In Monaco gelten andere Regeln

Für die Ansprüche von Leclerc ist das zu viel wenig. Eigentlich sollte er
dem stolzen Autobauer endlich wieder einen WM-Titel bringen, doch davon sind die
Italiener offenbar erneut weit entfernt. Weltmeister Max Verstappen ist mit Red
Bull schon wieder enteilt und derzeit scheint es, als sei das erstarkte
McLaren-Team um den Briten Lando Norris der neue Hauptkonkurrent.

In der Gesamtwertung ist Leclerc nach Rang drei am vergangenen Sonntag in
Imola aber noch Zweiter. Doch in Monaco sind all diese Zahlen im achten
Saisonlauf nichts wert, in den engen Straßen des Stadtstaats gelten andere
Regeln.

Es kommt vor allem auf eine schnelle Runde in der Qualifikation am Samstag
an. Denn wer weit vorn startet, hat gute Chancen, die Position zu halten. Das
Asphaltband ist maximal zehn Meter breit, oftmals noch deutlich schmaler.
Überholen ist da fast unmöglich.

Wie Ferrari in einer Pressemitteilung schrieb, hat es bei den vergangenen
sechs Großen Preisen in Monaco insgesamt nur 30 Überholmanöver gegeben. 2019
waren es auf dem Kurs mit dem ikonischen Tunnel, der Rascasse-Kurve und der
Passage rund um das Schwimmbad sogar nur zwei.

Fast jeder Dritte im Fürstentum ist Millionär

Doch auch wenn die Rennsonntage zum Missfallen vieler eher langweilig sind,
müssen die Fahrer Schwerstarbeit leisten. Die Leitplanken sind nah, ein kleiner
Fehler kann schnell das Aus bedeuten. "Monaco ist für jeden Fahrer besonders",
sagte Leclerc. Während er sein ganzes Leben schon in dem 38 000-Einwohner-Ort
mit geschätzt mehr als 12 000 Millionären zu Hause ist, haben auch viele seiner
Kollegen einen Wohnsitz am Mittelmeer.

Das liegt nicht nur an der Sicherheit und Diskretion für die Reichen,
sondern auch an den Steuervorteilen. Wer genug Geld vorweisen kann, um in Monaco
leben zu dürfen, profitiert von der Befreiung von der Einkommensteuer, es gibt
auch keine Vermögens- oder Grundsteuer.

Neun der 20 Formel-1-Piloten residieren laut mehrerer Medienberichte im
Fürstentum. Dazu zählen in Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der ab kommendem
Jahr Leclercs Teamkollege bei Ferrari wird, Verstappen und Norris die größten
Namen der Szene. Auch der Deutsche Nico Hülkenberg vom US-Rennstall Haas lebt
seit 2015 in Monaco.

Fürst Albert gratulierte noch keinem Monegassen zum Sieg

Auch für sie wird es ein Heimspiel, für Leclerc aber noch mehr. "Der Grand
Prix in Monaco bedeutet alles für uns", sagte sein jüngerer Bruder Arthur
Leclerc. Der 23-Jährige fährt im Nachwuchsprogramm für Ferrari und könnte es
ebenfalls in die Motorsport-Königsklasse schaffen. "Die Strecke ist nur ein paar
hundert Meter von unserem Zuhause entfernt. Deswegen haben wir hier viel
Unterstützung", sagte er.

Auch Fürst Albert gehört zu jenen, die Leclerc den ersten Sieg eines
Monegassen auf den heimischen Straßen seit der Formel-1-Premiere 1950 wünschen.
In der Vergangenheit musste das Oberhaupt der Familie Grimaldi den Rennfahrer
sogar schon trösten.

2021 konnte Leclerc wegen technischer Probleme gar nicht erst starten, ein
Jahr später kostete ein Boxenstopp-Fehler seiner Crew einen möglichen Triumph.
"Natürlich möchte ich in Monaco gewinnen", bekräftigte Leclerc, bevor es am
Freitag im Training erstmals auf die mit 3,337 Kilometern kürzeste Piste der
Saison geht./two/DP/jha

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