10.07.2024 20:47:46 - dpa-AFX: ROUNDUP 3/Baerbock: Wegen Krisen keine erneute Kanzlerkandidatur

(neu: Nouripour/Lang im drittletzten Absatz)

BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Annalena Baerbock will sich voll auf ihr Amt
als Außenministerin konzentrieren und strebt keine erneute
Grünen-Kanzlerkandidatur an. Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein,
wolle sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft voll ihrer aktuellen
Aufgabe widmen, erklärte die Grünen-Politikerin in einem Interview des
US-Fernsehsenders CNN am Rande des Nato-Gipfels in Washington.

"Die Welt ist offensichtlich eine ganz andere als zur letzten
Bundestagswahl", sagte Baerbock laut offizieller Übersetzung des Auswärtigen
Amts in Berlin. "Im Lichte des russischen Angriffskriegs und nun auch der
dramatischen Lage im Nahen Osten braucht es nicht weniger, sondern mehr
Diplomatie. Sonst füllen die Lücke andere", ergänzte sie.

"Staatspolitische Verantwortung in extremen Zeiten"

Baerbock fügte in dem von der CNN-Journalistin Christiane Amanpour geführten Interview hinzu: "Daher bedeutet in diesen extremen Zeiten staatspolitische
Verantwortung als Außenministerin für mich: Statt in einer Kanzlerkandidatur
gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen,
Vertrauen, Kooperation und verlässliche Strukturen zu bilden - für und mit so
vielen Partnern weltweit und in Europa, die darauf bauen."

Baerbock: Werde alles zur Unterstützung meiner Partei tun

Baerbock, die sich vor der Bundestagswahl 2021 mit dem heutigen Vizekanzler
und Wirtschaftsminister Robert Habeck darauf geeinigt hatte, damals als
Kanzlerkandidatin der Grünen anzutreten, versicherte zugleich: "Natürlich werde
ich im Wahlkampf alles tun, um meine Partei zu unterstützen, wie ich es das
letzte Mal auch getan habe."

Habeck ist die Lust auf die Kanzlerkandidatur anzumerken

Dass entweder Baerbock oder Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert
Habeck die Grünen in den nächsten Bundestagswahlkampf führen würden, ist seit
Längerem klar. Habeck ist die Lust auf die Kandidatur seit Monaten deutlich
anzumerken, auch wenn er das bislang nicht glasklar gesagt hat. Wie auch?
Schließlich gibt es da noch Baerbock.

In deren Umfeld hieß es noch im Frühjahr, man wolle am vor zweieinhalb
Jahren vereinbarten Verfahren zur Kandidatenaufstellung festhalten. Im September
2022 hatte der Vorstand entschieden, dass die Partei-Basis bei einer Urwahl
entscheiden solle, falls es mehrere aussichtsreiche Kandidaten geben sollte.

Grüne wollten Hängepartie vermeiden

Doch eine Hängepartie, womöglich öffentlich ausgetragen, wollte man gerne
vermeiden. Spitzen-Grüne hofften stets, dass die beiden früheren Parteichefs
sich gütlich einigen würden.

Habeck gab sich am Abend zurückhaltend auf die Frage, ob er jetzt seine
Kanzlerkandidatur erkläre. Er sagte, Baerbock habe dafür gesorgt, dass
Deutschland in den letzten Jahren ein Stabilitätsfaktor in der Außenpolitik
gewesen sei und nach wie vor sei - Baerbock mache einen hervorragenden Job als
Außenministerin. "Alles Weitere werden wir in den Gremien beraten und die
richtigen Entscheidungen rechtzeitig verkünden."

Grünen-Spitzen loben Baerbocks Entscheidung

Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge
und Britta Haßelmann, erklärten jeweils auf X, es sei verantwortungsvoll, dass
Baerbock sich in dieser Zeit auf die Außenpolitik konzentriere. Sie lobten
Baerbock zudem für ihr "Teamplay". "Gut so, für unser Land und für uns Grüne",
schrieb Haßelmann.

Ähnlich äußerten sich die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda
Lang: "So ist Annalena Baerbock, und so schätzen wir sie: mit Verantwortung für
das Ganze und als Teamspielerin." Dank Baerbock sei Deutschland ein
verlässlicher Partner in der Welt. "Gerade jetzt braucht Deutschland eine
engagierte Außenministerin wie Annalena Baerbock." Und auch von ihnen hieß es:
"Alles Weitere entscheiden wir zum gegebenen Zeitpunkt."

Hätte Baerbock auf der Kandidatur bestanden, wäre ein Machtkampf mit Habeck
kaum vermeidbar gewesen. Das wirft die Frage auf: Wie viel Ärger, wie viel
politisches Kapital ist so ein Kampf wert? Und das gerade bei einer Partei, die
in den Umfragen derzeit nur zwischen 11 und 13 Prozent rangiert?

Baerbock ist für eine Politikerin noch jung

Derzeit scheint abwegig, dass der nächste Kanzler (oder die nächste
Kanzlerin) ein grünes Parteibuch haben könnte. Aber es gibt ja noch ein
übernächstes Mal. Und Baerbock ist mit 43 Jahren jung für eine Politikerin -
vielleicht erklärt auch das den Verzicht./bk/hrz/DP/he

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