07.07.2024 14:46:42 - dpa-AFX: EM 2024/Oranje-'Plage' Weghorst will Englands Albtraum werden

BERLIN (dpa-AFX) - Als die niederländischen Fans ihren EM-Ohrwurm
anstimmten, entwickelte sich Wout Weghorst zum Feierbiest. Erst hüpfte er vor
der prall gefüllten Oranje-Kurve nach links, dann nach rechts - und angetrieben
von Kabinen-DJ Denzel Dumfries und dem Hit "Viva Hollandia" hüpfte Weghorst
anschließend auch noch ausgelassen durch die Umkleide. Als der Edeljoker, dessen
Einwechslung maßgeblich zum hart erkämpften 2:1-Viertelfinalsieg gegen die
Türkei beigetragen hatte, nach Mitternacht durch die Katakomben des Berliner
Olympiastadions stapfte, grinste er nur schelmisch.

"Wir hatten eine tolle Zeit. Das sind Momente für das Leben, das ist
Wahnsinn und pure Freude", schwärmte der niederländische Fußball-Nationalspieler
und ließ die beeindruckenden Szenen noch einmal Revue passieren. Weghorst lobte
den leidenschaftlichen Auftritt der Elftal, den Kampfgeist des gesamten Teams
und blickte auf das anstehende Halbfinale am Mittwoch gegen England. "Ich bin
bereit", schickte er als Kampfansage an Harry Kane und Co.

Edeljoker und Bessermacher

Es war etwa 0.30 Uhr, als die Oranje-Spieler frisch geduscht die Umkleide
verließen und sich den Fragen der Journalisten stellten. Ein Name war
omnipräsent: Wout Weghorst. Der in der Vorsaison an die TSG Hoffenheim
ausgeliehene Angreifer wurde von Bondscoach Ronald Koeman bislang in allen fünf
EM-Spielen eingewechselt. Zum Auftakt gegen Polen gelang ihm mit dem ersten
Ballkontakt der immens wichtige 2:1-Siegtreffer. Gegen die Türken brachte seine
Hereinnahme den entscheidenden Impuls.

Ob als Abräumer im eigenen Strafraum, als Balleroberer im Mittelfeld oder
als Vorlagengeber in der Offensive - der gelernte Stürmer war überall. "Es ist
ein Albtraum, wenn man gegen ihn spielt. Er ist stark, er ist eine Plage im
Strafraum und er kämpft um alles, er rennt allem hinterher. Er ist für uns eine
große Bereicherung", lobte Mitspieler Nathan Aké und versuchte so, den
Engländern Angst zu machen.

Weghorst war im mit rund 40.000 türkischen Fans gefüllten Berliner
Hexenkessel so etwas wie der Bessermacher. Nach der verdienten Führung für die
Türken durch Samet Akaydin (35.) trieb er seine Mitspieler an und übernahm
Verantwortung. Der Lohn: Erst der Ausgleich durch Stefan de Vrij (70.) und
später das erzwungene Eigentor durch Mert Müldür (76.), der mit seiner Fußspitze
Gegenspieler Cody Gakpo um den Rekord des alleinigen Torschützenkönigs bei
dieser EM brachte.

Der Junge von der Bank

Doch selbst Gakpo wollte nicht über sein Beinahe-Tor sprechen. "Er ist groß, er ist gut in der Luft, er kämpft um jeden Ball, der in den Strafraum fliegt.
Ich bin sehr glücklich, dass Wout heute Wout sein konnte", rühmte Gakpo viel
lieber seinen Mitspieler. Auch für TV-Experte Lothar Matthäus war Weghorst der
"Game-Changer".

Über die politischen Debatten, die das Spiel überlagert hatten, sprach bei
den Niederlanden niemand. Über den Besuch des türkischen Präsidenten Recep
Tayyip Erdogan, der mit seinem Besuch seinem Team inmitten des Wolfsgruß-Eklats
den Rücken stärken wollte, erst recht nicht. Die Lobhudelei auf Weghorst machte
einfach viel mehr Spaß. "Mit den Jungs auf der Bank können wir richtig was
rausholen", befand Aké und verwies auf den "Faktor Ersatzspieler"

Richtig was rausholen - das wird auch nötig sein, wenn die Elftal am
Mittwoch gegen die bislang zwar glanzlosen, aber dennoch unangenehmen Engländer
spielt. Der Traum vom zweiten EM-Titel nach 1988 lebt. "Es ist echt drin. Das
Gefühl war immer da und es wächst, es wird immer größer und größer", berichtete
Weghorst.

Koeman: Im Finale gerne gegen Spanien

Oranje-Trainer Ronald Koeman bewertete den Einzug ins Halbfinale als Erfolg
für das ganze Land. "Ich denke, für die ganze Nation ist das etwas Besonderes.
Wir sind eine kleine Nation und wir spielen jetzt im Halbfinale mit England,
Spanien und Frankreich. Man muss einfach stolz sein auf diese Mannschaft", sagte
der Bondscoach und befand: "Manchmal werden wir kritisiert, weil wir im
Vergleich zu anderen Nationen angeblich mit zu wenig Herz spielen. Aber die
Spieler haben heute gezeigt, dass sie großes Herz haben".

Das große Herz soll die Niederländer zurück ins Olympiastadion führen. Denn
dort findet am Sonntag das Finale statt. Der Glaube ist groß - so groß, das
Koeman sogar schon über einen Lieblingsgegner im Endspiel sprach. "Wenn wir das
Finale spielen, dann würde ich gerne gegen Spanien spielen, weil wir hatten
Frankreich ja schon in der Gruppe."/jso/jrz/DP/he

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