14.07.2024 08:43:55 - dpa-AFX: Städte fürchten um Bauprojekte wegen neuer Rechtslage

BERLIN (dpa-AFX) - Eine neue Rechtslage macht wichtige Bauprojekte auf nicht
mehr benötigten Bahnflächen aus Sicht des Deutschen Städtetags nahezu unmöglich
- das könnte vor allem für die Stadt Stuttgart zu einem Problem werden. Denn die
Stadt plant auf dem Gleisvorfeld des bald nicht mehr genutzten Stuttgarter
Hauptbahnhofs unter anderem den Bau Tausender Wohnungen. Doch das soll mit der
Gesetzesänderung nun deutlich schwieriger geworden sein. Darauf weist der
Städtetag in einem Schreiben an seine Mitglieder hin, das der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt.

Konkret geht es um eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Geregelt ist darin auch die sogenannte Entwidmung nicht mehr benötigter Bahnflächen,
sodass diese verkauft und für andere Zwecke verwendet werden können. Seit der
Gesetzesänderung von Ende vergangenen Jahres sind Bahnbetriebsflächen von
"überragendem öffentlichen Interesse". Nur wenn andere Projekte dieses Interesse
überwiegen, dürfen die Flächen entsprechend anders genutzt werden.

Der Bund will damit verhindern, dass Flächen der Bahn, die später vielleicht doch noch gebraucht werden könnten, ohne weiteres verkauft und bebaut werden.
Schließlich leiden die Bahn und ihre Fahrgäste noch heute unter dem
jahrzehntelangen Rückbau des Schienennetzes. Doch die neuen Regeln legen die
Hürden für jedes andere Vorhaben nun zu hoch, fürchtet der Städtetag.

Städtetag: Nur noch Projekte von überragender Bedeutung möglich

Demnach könnten auf den Flächen jetzt nur noch Vorhaben realisiert werden,
"die ebenfalls kraft eines Gesetzes im "überragenden öffentlichen Interesse
sind"", schreibt der Verband unter Berufung auf das zuständige
Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Das könnten Projekte zugunsten der
Landesverteidigung, Wind- oder Solarprojekte oder bestimmte
Bundes-Fernstraßenvorhaben sein. "Der Bau von Wohnungen oder die Schaffung von
Arbeitsplätzen gehöre nicht dazu", so interpretiert der Städtetag zumindest
Angaben des EBA.

Das könnte auch für Stuttgart zum Problem werden. Für das Gleisvorfeld des
Hauptbahnhofs hat die Stadt jedenfalls noch keinen Entwidmungsantrag gestellt.
Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage
des Grünen-Politikers Matthias Gastel hervor. Das neue Recht lasse eine
Entwidmung des Gleisvorfeldes zugunsten von Gebäuden, wie von der Stadt
Stuttgart vorgesehen, nicht zu, ist sich der Abgeordnete sicher.

Stadt Stuttgart hat verfassungsrechtliche Bedenken

Das sieht die Stadt Stuttgart anders. Der Bund sei nicht zu einer reinen
Vorratshaltung von Bahnflächen befugt, teilte ein Sprecher der Landeshauptstadt
mit: "Soweit also keine positiven Planungen des Bundes für Flächen vorliegen,
dürfen diese aus dem Planungsrechtsbereich der Städte und Gemeinden nicht
entzogen werden." Eine künftige Nutzung der heutigen Bahnflächen sei vom Bund in
Stuttgart nicht vorgesehen. "Der Erhalt der bloßen Möglichkeit einer künftigen
Bahnnutzung durch den Bund genügt verfassungsrechtlich nicht, die Entwidmung der
heutigen Gleisflächen im Zentrum der Stadt zu verweigern", teilte der Sprecher
mit.

Doch der Städtetag warnt in seinem Schreiben vor Folgen auch über die
Landeshauptstadt hinaus: "Wie wir aus einer ersten Umfrage bei den Mitgliedern
des Bau- und Verkehrsausschusses des Deutschen Städtetages erfahren haben, steht
zu befürchten, dass zahlreiche Projekte vor Ort - insbesondere auch
Wohnungsbauvorhaben - zum Stillstand kommen werden." Die Stadt Stuttgart
kündigte an, sich nun mit anderen Betroffenen vernetzen und sich für die
Gewährleistung ihrer Rechte einsetzen zu wollen.

Gastel erkennt das Problem an, befürwortet aber weiterhin hohe Hürden für
die Entwidmung von Bahnflächen. "Wir werden als Grüne einer Bebauung des
Gleisvorfeldes nicht generell im Wege stehen", teilte er mit. Zu einer
neuerlichen Änderung des Eisenbahngesetzes sei seine Partei bereit. "Für
Stuttgart wie auch anderswo muss es aber weiterhin hohe Hürden und harte
Bedingungen für Entwidmungen geben: Freistellungen von Bahnbetriebszwecken
dürfen dem von dieser und auch früheren Bundesregierungen angestrebten Wachstum
auf der Schiene nicht im Wege stehen." Ziel der Bundesregierung sei die
Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030. "Möglichkeiten für dieses Ziel dürfen
nirgendwo verbaut werden", betont Gastel./maa/DP/nas

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