24.05.2024 16:02:23 - dpa-AFX: POLITIK: Juncker besorgt über Rechtsruck in Parteienfamilie mit CDU und CSU

LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker hat sich kurz vor der Europawahl besorgt über rechte Tendenzen in der
vom CSU-Politiker Manfred Weber geführten Parteienfamilie EVP geäußert. "Ich
stelle einen Rechtsruck in der EVP fest, gegen den ich kämpfe. Wer sich zu sehr
nach rechts lehnt, riskiert, aus dem Fenster zu fallen", warnte Juncker in einem
am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung "Luxemburger Wort".

Zu der christdemokratischen EVP gehören neben Junckers Partei CSV und der
deutschen CDU und CSU unter anderem die Regierungsparteien aus EU-Ländern wie
Österreich, Schweden, Griechenland und Irland. Sie führt derzeit in Umfragen zur
Europawahl und hat Ursula von der Leyen als ihre Spitzenkandidatin für eine
zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin nominiert.

Umstritten ist, dass sich von der Leyen jüngst offen für eine Zusammenarbeit mit der ultrarechten Partei der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni
gezeigt hatte. Als ein Grund dafür gilt, dass sie für eine Wiederwahl durch das
Europaparlament auf Stimmen von der Partei von Meloni angewiesen sein könnte.

Juncker, der von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident war, sagte nun: "Wenn traditionelle Parteien damit beginnen, wie Rechtspopulisten zu reden, dann
werden die Grenzen zwischen gestandenen Volksparteien und den Rechtsextremen
verwischt - auch in der Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung. Damit kann die
Demokratie nur verlieren." Es würde der EVP gut zu Gesicht stehen, sich
meilenweit vom allgemeinen Rechtsdrall fernzuhalten. Zugleich betonte er, dass
er auch andere Parteien für die Entwicklungen für verantwortlich halte. "In
Frankreich hat Emmanuel Macron den Rechtsruck zu verantworten und nicht die
EVP", sagte er.

Juncker warnte vor jeder formellen Koalition mit rechtsextremen Parteien. Zu einer möglichen Zusammenarbeit zwischen der EVP und Melonis Fratelli d'Italia
äußerte sich Juncker etwas zurückhaltender als noch vor einigen Monaten. "Ich
muss zugeben, dass Giorgia Melonis Partei wider meiner Erwartungen einen eher
pro-europäischen Kurs fährt", sagte er. Allerdings müsse man auch auf den
Diskurs achten, den Parteien pflegten, bevor sie an die Macht gekommen seien,
und darauf, welches Menschenbild sie vertreten hätten./aha/DP/ngu

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