08.07.2024 15:03:16 - dpa-AFX: POLITIK: Linke-Chef Schirdewan lässt Kandidatur als Vorsitzender offen

BERLIN (dpa-AFX) - Linke-Chef Martin Schirdewan lässt weiter offen, ob er
beim anstehenden Parteitag erneut als Vorsitzender kandidieren möchte. Co-Chefin
Janine Wissler und er würden "natürlich auch Klarheit schaffen, ob wir nochmal
antreten oder nicht", sagte er auf entsprechende Nachfragen bei einer
Pressekonferenz in Berlin.

Er verwies aber zugleich auf einen am Wochenende in der Partei vereinbarten
Fahrplan für die kommenden Monate, auch was die Klärung personeller Fragen
angeht.

Bei einer Klausur des Vorstands und der Landesvorsitzenden der Linken in
Berlin war am Sonntag vereinbart worden, dass eine Arbeitsgruppe einen Fahrplan
für eine inhaltliche, strategische und personelle Aufstellung mit Blick auf den
Bundesparteitag im Oktober in Halle erarbeiten soll. Bei dem Treffen sollen
Schirdewan und Wissler sehr deutlich gemacht haben, dass sie nicht an ihren
Stühlen klebten, hieß es anschließend aus Parteikreisen.

Lange Beratungen und klebende Stühle

Darauf angesprochen, blieb Schirdewan am Montag im Ungefähren. Es sei am
Sonntag eine sehr lange Sitzung an einem Sommertag gewesen, im Raum sei es immer
wärmer geworden und die Stühle hätten angefangen zu kleben. "Und da habe ich
gesagt, ich muss nicht an diesem Stuhl kleben." Er finde das Bild, an einem
Stuhl zu kleben auch nicht besonders attraktiv. "Es ist schon ein bisschen
unbequem, also Beinfreiheit in der Politik braucht man ja auch. Von daher, an
Stühlen kleben ist da eher selten ratsam." Man werde klug miteinander den
Parteitag vorbereiten.

Druck aus der Partei

Die Linke wird seit 2022 von Wissler und Schirdewan geführt. Die Partei
verbuchte seither eine Serie von Wahlschlappen. Nach dem schlechten Abschneiden
bei der Europawahl (2,7 Prozent) hatte Schirdewan angedeutet, dass er über einen
Rückzug beim Parteitag nachdenke.

In der vergangenen Woche hatten die früheren Fraktionsvorsitzenden Gregor
Gysi und Dietmar Bartsch eine "strukturelle, politische und personelle
Erneuerung" gefordert. Die sachsen-anhaltische Fraktionschefin Eva von Angern
drängte Wissler und Schirdewan, beim Parteitag nicht mehr anzutreten.

Bei der Sitzung am Wochenende habe es selbstkritische Töne der
Parteivorsitzenden und der Landesvorstände gegeben, dass programmatische
Klärungsprozesse liegengeblieben seien, hieß es danach. Doch sei auch kritisiert
worden, dass Bartsch und seine Anhänger in der Öffentlichkeit eine
Personaldebatte angefeuert hätten.

Die Linke hatte nach jahrelangem Richtungsstreit im Oktober 2023 mit Sahra
Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen verloren. Sie gründete ihre
eigene Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht, und erreichte bei der Europawahl
aus dem Stand 6,2 Prozent. Ein Großteil der Stimmen kam von früheren
Linken-Wählern./jr/DP/mis

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