09.07.2024 11:15:04 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Koala-Knuddeln verboten: Welche Regeln gelten in Down Under?

BRISBANE (dpa-AFX) - Einmal einen Koala im Arm halten, seine Pfoten auf der
Schulter spüren und in seine niedlichen Knopfaugen blicken - für so manchen
Touristen ist das ein langgehegter Traum. Was viele vor ihrer Australien-Reise
nicht wissen: In den meisten Bundesstaaten ist es längst nicht mehr erlaubt, mit
den possierlichen Beuteltieren zu kuscheln. Ein bekanntes Schutzzentrum in
Brisbane hat sich dem Verbot nun angeschlossen und damit neue Diskussionen
ausgelöst.

Jahrelang war das Lone Pine Koala Sanctuary im tropischen Queensland die
Top-Adresse, wenn es um hautnahe Kontakte mit den Eukalyptus-Fressern ging.
Staats- und Regierungschefs von Ex-US-Präsident Barack Obama bis zum russischen
Präsidenten Wladimir Putin hielten hier ebenso Koalas im Arm wie Pop-Ikone
Taylor Swift und Tennislegende Roger Federer.

In einer Mitteilung hatte es zuvor geheißen, dass es unter den Gästen eine
steigende Nachfrage nach "intensiveren und lehrreicheren Erlebnissen" gebe, die
das Kuscheln nicht unbedingt beinhalten. Viele wollten, statt nur für Fotos zu
posieren, mehr Zeit in der Gegenwart der Tiere und ihrer Pfleger verbringen.

Bei manchen Australiern ist die Enttäuschung groß. "Ich werde nicht mehr
hingehen, wenn ich keinen Koala mehr knuddeln kann. Danke für die Erinnerungen
Lone Pine, und ich wünsche Euch aufrichtig weiterhin viel Erfolg", zitierte die
Nachrichtenseite News.com.au eine regelmäßige Besucherin. Ob die Interaktionen
mit Besuchern den Tieren schaden - und wenn, in welchem Maße - darüber gehen die
Meinungen aber weit auseinander.

Neue Attraktion geplant

In freier Wildbahn schlafen Koalas rund 20 Stunden am Tag. Sie haben einen
sehr langsamen Stoffwechsel und sparen durch ihren geruhsamen Lebensstil
Energie, nachdem sie schwer verdauliche Eukalyptusblätter gefressen haben. "Aber
manche nahen Begegnungen zwingen sie dazu, stundenlang wach und aktiv zu sein",
moniert die Tierschutzorganisation World Animal Protection mit Sitz in London
gehen. "Das Kuscheln, Halten oder Fotografieren eines gefangenen Koalas
verursacht ihm stillen Stress."

Das Sanctuary führt nun eine neue Attraktion namens "Koala Close-Up" ein.
Tierfreunde können die Beutelsäuger weiter aus nächster Nähe erleben und ihnen
beim Fressen, Schlafen und Entspannen zugucken, aber ohne körperlichen Kontakt.
"Wir freuen uns, dass sowohl einheimische als auch internationale Gäste dazu
übergehen, die australische Tierwelt aus der Nähe erleben zu wollen, aber nicht
notgedrungen physisch", hieß es.

Das Lone Pine Koala Sanctuary gibt es schon seit 1927. Es gilt als das
älteste und größte seiner Art in der Welt. Damals, als die Tiere wegen ihres
weichen Fells noch in großem Umfang gejagt wurden, startete das Zentrum mit
gerade einmal zwei Exemplaren: Jack und Jill. Heute sind hier rund 100 Koalas zu
Hause.

In fast allen Bundesstaaten und Territorien in Down Under ist es heute
illegal, einen Koala im Arm zu halten wie ein Baby. Nur Queensland und South
Australia bilden eine Ausnahme. Koalas zu berühren, ist hingegen häufig erlaubt,
jedoch gibt es strenge Regeln.

Was dürfen Touristen - und was nicht?

In New South Wales mit der Metropole Sydney etwa gilt schon seit 1995 ein
Im-Arm-Halte-Verbot. Die offiziellen Richtlinien der Regionalregierung sind
minutiös: "Die Handhabung von Koalas durch die Öffentlichkeit ist auf das
Tätscheln, Streicheln und Anschmiegen beschränkt, wobei nur ein Arm um den Koala
gelegt werden darf, während das Tier auf einem festen Untergrund sitzt", heißt
es da.

Manche Einrichtungen untersagen Berührungen aber gänzlich, so der bekannte
Wild Life Sydney Zoo am Darling Harbour. Besucher dürfen sich den Tieren aber
nähern und sich neben ihnen fotografieren lassen. "Da wir sehr strenge Regeln
haben, wie oft unsere Tiere gezeigt werden, können die Gäste absolut sicher
sein, dass die Koalas durch diese Begegnungen aus nächster Nähe nicht gestresst
werden", heißt es auf der Webseite.

Auch in Queensland, wo das Kuscheln generell noch erlaubt ist, ist der
Koala-Tourismus aber streng reguliert. So darf jedes Tier maximal drei Tage
hintereinander für Zusammentreffen mit Besuchern "im Dienst" sein, bevor es
einen kompletten Ruhetag bekommt.

Ein Exemplar darf maximal 30 Minuten am Tag für touristische Zwecke aus
seiner natürlichen Umgebung entfernt werden - und keinesfalls mehr als 180
Minuten pro Woche. Und nur ausgebildete Pfleger dürfen einen Koala einer anderen
Person in den Arm legen und ihn wieder von dort entfernen.

Wo noch gekuschelt werden darf

Wer sich den Traum vom hautnahen Kontakt erfüllen will, der kommt unter
anderem im Australia Zoo an der Sunshine Coast, der von der Familie des
"Cocodile Hunters" Steve Irwin geführt wird, und im Currumbin Wildlife Sanctuary
südlich von Brisbane auf seine Kosten - für umgerechnet mehr als 70 Euro pro
Person. Würde es nach World Animal Protection gehen, dann wäre damit aber auch
hier bald Schluss.

Unter dem Titel "Stoppt das grausame Koala-Kuscheln" fordert die
Organisation ein komplettes Verbot auch in Queensland und bittet die
Öffentlichkeit, Druck auf die Regionalregierung auszuüben. Die meisten Besucher
von Wildtierzentren wüssten gar nicht, wie viel Stress und Leid Koalas ertragen
müssten, wenn sie gekuschelt oder für ein Foto festgehalten würden, heißt es in
der Petition.

Tierschützern gehen Vorgaben nicht weit genug

Die Regionalregierung hat aber derzeit keine Absicht, die Regeln zu ändern.
Die Vorgaben, etwa zu Pausen und Ruhezeiten für Koalas, seien bereits sehr
streng, zitierte der australische Guardian Regionalpremier Steven Miles. Den
Tierschützern geht das aber nicht weit genug. World Animal Protection rät
Touristen, sie sollten lieber in der Wildnis nach Koalas suchen - und sie dort
aus der Ferne beobachten./cfn/DP/zb

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