02.07.2024 17:08:39 - dpa-AFX: ROUNDUP: Besuch in Kiew: Orban schlägt Selenskyj Feuerpause vor

KIEW (dpa-AFX) - Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat den ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu aufgefordert, im Krieg mit Russland eine
Feuerpause in Erwägung zu ziehen. "Internationale diplomatische Regeln sind
langsam und kompliziert. Ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, zu erwägen, ob
es nicht möglich wäre, die Reihenfolge umzukehren und mit einer schnellen
Feuerpause die Friedensverhandlungen zu beschleunigen", sagte der als
russlandfreundlich geltende Orban nach einem Bericht der ungarischen
Nachrichtenagentur MTI in Kiew nach einem Treffen mit Selenskyj.

Selenskyj hält sich bedeckt

Öffentlich ließ Selenskyj Orbans Vorschlag unbeantwortet. Derzeit gibt es
keinerlei Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau. Kiew lehnt bisher
offiziell eine Waffenruhe vor dem Abzug russischer Truppen ab, hatte diese
Bedingung aber zuletzt nicht mehr in den Vordergrund gerückt. Beide Seiten
lehnten in der Vergangenheit Waffenruhen oder auch einen Waffenstillstand mit
der Begründung ab, dass die Gegenseite die Pause nur für eine Aufrüstung nutzen
würde.

Orban besuchte das Nachbarland erstmals seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022. "Ziel der ungarischen Ratspräsidentschaft ist
es, zur Lösung der Herausforderungen beizutragen, vor denen die Europäische
Union steht. Meine erste Reise führte daher nach Kiew", schrieb der
rechtspopulistische Politiker bei Facebook.

Ungarn hat gerade für ein halbes Jahr die rotierende EU-Ratspräsidentschaft
übernommen. Er wolle Schritte für einen Frieden unternehmen, hatte Orban in
einem Interview kurz vor seiner Reise nach Kiew angekündigt.

Die Beziehungen zwischen Kiew und Budapest gelten als angespannt. Selenskyj
bekundete nach dem Treffen mit Orban die Hoffnung, dass zukünftig alle
strittigen Fragen zwischen Ungarn und der Ukraine in einem bilateralen Abkommen
geregelt werden könnten.

Ungarn hat mehrfach Hilfen für Ukraine verzögert

In der Vergangenheit hatte Orban Hilfen für die von Russland angegriffene
Ukraine verzögert und mehrfach versucht, Sanktionen gegen Moskau zu verhindern.
Ungarn ist weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig, die trotz des
Kriegs teilweise durch die Ukraine fließen. Allerdings will Kiew den zum
Jahresende auslaufenden Vertrag zum Gastransit nicht verlängern. Zudem hatte
sich Ungarn lange Zeit gegen EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine
ausgesprochen, diesen Widerstand aber letztlich nach Druck aus Brüssel
aufgegeben.

Ein weiterer Streitpunkt im Verhältnis der Nachbarn sind die Rechte der
ungarischen Minderheit in der Ukraine, als deren Schutzpatron sich Orban seit
Jahren inszeniert. Dabei zeichnete sich eine Entspannung ab. Orban versprach
Finanzhilfen zur Einrichtung von Schulen für die ukrainische Minderheit und
Flüchtlinge in Ungarn, berichtete die Agentur Interfax-Ukraine. Budapest drängt
Kiew seit langem, der ungarischen Minderheit im Transkarpatengebiet wieder mehr
Rechte unter anderem bei der Bildung zuzugestehen.

Orban war zuletzt 2015 in der Ukraine gewesen. Damals war noch Selenskyjs
Vorgänger Petro Poroschenko im Amt./bal/DP/jha

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