16.06.2024 14:15:19 - dpa-AFX: ROUNDUP: Vor Ampel-Runde zum Haushalt neue Debatte ums Bürgergeld

BERLIN/BARI (dpa-AFX) - Vor den schwierigen Verhandlungen über den Haushalt
2025 ist eine Debatte um schärfere Sanktionen bei Missbrauch des Bürgergelds
entbrannt. Die "Bild"-Zeitung berichtete am Samstag über einen Plan der SPD, das
Bürgergeld bei Fällen von gleichzeitiger Schwarzarbeit zu streichen.

"Es ist nur gerecht, Schwarzarbeit und Sozialbetrug stärker zu
sanktionieren", erklärte dazu Dagmar Schmidt, Vizechefin der
SPD-Bundestagsfraktion, auf Anfrage. "Beides sind keine Kavaliersdelikte, das
machen wir schon immer klar." Zu Details des Berichts äußerte sie sich
allerdings nicht. Grundsätzlich hob Schmidt hervor, das Bürgergeld setze "auf
die Vermittlung in dauerhafte Arbeit - dazu stärkt es Qualifikation und
Weiterbildung". Das sei auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel.

Zustimmung für schärfere Sanktionen kam von FDP-Generalsekretär Bijan
Djir-Sarai. Er sagte dem "Tagesspiegel": "Wer Bürgergeld bezieht und
gleichzeitig schwarzarbeitet, der muss hart sanktioniert werden."

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht wegen der von der Schuldenbremse auferlegten Sparzwänge einerseits und der
Ausgabenwünsche der Ministerien andererseits vor besonders schwierigen
Verhandlungen über den Haushalt für das kommende Jahr. Anfang Juli soll das
Kabinett den Etat beschließen.

Für Sonntag wird ein Gespräch von Scholz, FDP-Chef und Finanzminister
Christian Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erwartet. Es soll um den
Bundeshaushalt 2025 gehen. Am selben Tag ist nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur eine Sondersitzung des SPD-Präsidiums angesetzt, bei der es um
die Aufarbeitung des historisch schlechten Europawahl-Ergebnisses der Partei
gehen soll.

Bericht: Bei Schwarzarbeit zwei Monate kein Bürgergeld

Die "Bild"-meldete unter Berufung auf SPD-Parteikreise,
Bürgergeld-Beziehern, die bei Schwarzarbeit erwischt werden, sollten staatliche
Leistung gestrichen werden. Analog zu der Sanktion für "Totalverweigerer" solle
der Regelsatz für zwei Monate nicht gezahlt werden. Die Mietzahlungen sollten
weiter übernommen werden, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Die Zeitung schrieb,
dass Scholz, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und der SPD-Vorsitzende Lars
Klingbeil hinter dem Plan stünden, der auch Teil der laufenden Verhandlungen für
den Bundeshaushalt 2025 sei.

Scholz forderte von seiner Koalition bei den Haushaltsverhandlungen
Bereitschaft zur Zusammenarbeit ein. Der Haushalt für das nächste Jahr sei "nur
eine Aufgabe, die wir bald lösen müssen, fristgerecht Anfang des nächsten
Monats", sagte der SPD-Politiker am Samstag in einem ZDF-Interview vor seiner
Abreise vom G7-Gipfel in Süditalien. Es gehe darum, alles dafür zu tun, dass
Deutschland ein gutes Wachstum und moderne Arbeitsplätze habe. Scholz mahnte:
"Und das bedeutet auch, dass man sich zusammenraufen muss und zusammenreißen
muss in der Art und Weise, wie man seine Verständigung erzielt."

In einem Interview mit RTL/n-tv, sagte er, der Haushalt werde "sehr bald"
aufgestellt. "Ich bin ganz froh darüber, dass das in einer vertraulichen
Atmosphäre geschieht. Und diese Vertraulichkeit will ich jetzt auch wahren",
sagte Scholz. Er nannte eine Priorität: "Mir persönlich ist wichtig, dass wir
unseren sozialen Zusammenhalt nicht gefährden, das Miteinander, unseren
Sozialstaat, den wir so sorgfältig in Deutschland entwickelt haben und der einen
guten Beitrag zur Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger leistet."

FDP: Unterschied zwischen Arbeiten und Nicht-Arbeiten zu gering

Lindner forderte mit Blick auf die schwierigen Haushaltsberatungen
Nachbesserungen beim Bürgergeld. "Die Erwartungen an das Bürgergeld haben sich
angesichts der praktischen Erfahrungen nicht alle erfüllt. Deshalb muss nach
meiner Überzeugung nachgearbeitet werden", sagte Linder der "Rheinischen Post"
vor dem Hintergrund einer Kostensteigerung beim Bürgergeld. "Manche scheinen das
Bürgergeld als eine Form des bedingungslosen Grundeinkommens missverstanden zu
haben." So sei es aber nicht gemeint.

Lindner sieht bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne "eine Bereitschaft
zum Gespräch" zu diesem Thema. Er erklärte: "Die Mehrheit der Bürgerinnen und
Bürger empfindet es als ungerecht, wenn der Unterschied zwischen Arbeiten und
Nicht-Arbeiten zu gering ist. Wer soziale Leistungen in Anspruch nimmt, sollte
sich bemühen, wieder in Arbeit zu kommen." Das Bürgergeld, der Nachfolger von
Hartz IV, war zum 1. Januar 2023 eingeführt worden.

Lindner behält sich Nachtragsetat für 2024 vor

Der Minister äußerte sich auch zu einem möglichen Nachtragshaushalt zum Etat 2024: "Wir schauen uns die Entwicklung von Steuereinnahmen und Staatsausgaben
an. Wenn die sich zu stark auseinander entwickeln, bin ich zum Handeln
verpflichtet." So habe das Wirtschaftsministerium etwa mitgeteilt, dass der
Ökostrom neun Milliarden Euro teurer sein werde. "Sollten wir handeln müssen, so
wäre einerseits eine Haushaltssperre denkbar", erklärte er. "Die beträfe aber
auch Investitionen und würde die Wachstumsschwäche unserer Wirtschaft
verschärfen. Andererseits wäre es bei einem Nachtragshaushalt möglich, die
konjunkturbedingt erlaubte Kreditaufnahme neu zu berechnen." Die Regierung von
Hendrik Wüst (CDU) in Nordrhein-Westfalen habe das gerade getan, "das behalte
ich mir auch vor".

Die Schuldenbremse wurde 2009 nach der globalen Finanzkrise im Grundgesetz
verankert. Demnach dürfen Bund und Länder ihre Haushaltsdefizite nicht mehr
durch die Aufnahme von Krediten ausgleichen. Während für die Länder ein
absolutes Verschuldungsverbot gilt, hat der Bund einen kleinen Spielraum. Nach
jahrelangen Ausnahmen, auch wegen Corona, hält der Bundeshaushalt für das
laufende Jahr die Schuldenbremse bislang wieder ein./cn/DP/men

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