04.07.2024 06:34:59 - dpa-AFX: ROUNDUP/Vorwürfe zu Atomausstieg: Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf

BERLIN (dpa-AFX) - Der Bundestag befasst sich ab heute in einem
Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung von Entscheidungen zum deutschen
Atomausstieg. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas wird die konstituierende Sitzung
am Abend eröffnen. Es handelt sich neben dem noch laufenden Ausschuss zum Abzug
deutscher Truppen aus Afghanistan um den zweiten Untersuchungsausschuss dieser
Wahlperiode. Beantragt hatte ihn Mitte Juni die Unionsfraktion im Bundestag. Das
Plenum wird davor noch am Nachmittag über den Antrag zur Einberufung beraten.
Die Annahme gilt als Formsache.

Union sieht mögliche Täuschung der Öffentlichkeit

Bei dem Untersuchungsausschuss gehe es um nichts Geringeres als um die
Frage, "ob die Öffentlichkeit bei der Entscheidung zur Abschaltung der letzten
drei Kernkraftwerke getäuscht wurde", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und
Energiepolitiker, Andreas Lenz, der Deutschen Presse-Agentur. "Es geht um den
begründeten Verdacht, dass die versprochene ergebnisoffene Prüfung eines
Weiterbetriebs nie erfolgte", sagt er weiter.

Seine Fraktion werde bei der Aufarbeitung die notwendige Transparenz
einfordern und die Verantwortung für die Abläufe rund um den Atomausstieg
klären. Lenz gehört zu den 14 Mitgliedern, die der neue Ausschuss haben wird.

Deutschland war Mitte April 2023 aus der Nutzung von Kernenergie
ausgestiegen. Die letzten drei Meiler wurden endgültig abgeschaltet. Davor hatte
die Bundesregierung aufgrund der Energiekrise infolge des russischen
Angriffskriegs auf die Ukraine entschieden, die Meiler noch für ein paar Monate
länger laufen zu lassen. Ursprünglich sollte der Atomausstieg bereits zum 31.
Dezember 2022 vollzogen sein. Die Dauer des Weiterbetriebs der Kraftwerke sowie
die Entscheidung zum endgültigen Atomausstieg hatten sowohl regierungsintern als
auch in der Opposition für heftige Debatten und Streit gesorgt.

Weiterbetrieb erst nach Machtwort des Kanzlers

Die Grünen hatten sich lange gegen jede Form der Laufzeitverlängerung
gewehrt, schließlich aber das von Habeck und den AKW-Betreibern im September
2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei
letzten Meiler unterstützt. Die FDP hatte sich für eine über April 2023
hinausgehende Laufzeit eingesetzt. Im Oktober 2022 sprach Kanzler Olaf Scholz
(SPD) dann ein Machtwort, das zum Weiterbetrieb aller drei Meiler bis spätestens
zum Frühjahr 2023 führte.

Aus Sicht der Union bestehen Zweifel daran, dass die Entscheidungen über den Weiterbetrieb "unvoreingenommen" und "ergebnisoffen" erfolgt sind. Diese
Darstellung stützt auch ein vor Wochen erschienener Bericht des Magazins
"Cicero", wonach sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im
Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für Ende 2022 geplanten
Atomausstieg unterdrückt worden sein sollen. Beide Ministerien bestreiten dies.

Wie es im Unionsantrag zur Einberufung des Untersuchungsausschusses heißt,
habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 27. Februar 2022 eine
ergebnisoffene Prüfung zu einem möglichen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in
Deutschland zugesagt und am 1. März desselben Jahres eine Prüfung angekündigt,
bei der es "keine Tabus" geben werde.

Nur kurze Zeit später, am 7. März 2022, hätten dann das Ministerium von
Habeck und das ebenfalls grüne Bundesumweltministerium von Steffi Lemke einen
gemeinsamen "Prüfvermerk" veröffentlicht und darin einen Weiterbetrieb
abgelehnt, unter anderem aus Sicherheitsgründen.

Lemke und Habeck weisen Anschuldigungen zurück

Es sei nicht auszuschließen, "dass fachliche Expertise politischen und
parteipolitischen Vorgaben weichen musste", heißt es im Antrag. Daher soll
insbesondere geklärt werden, ob die von Habeck zugesagten Prüfungen einer
Laufzeitverlängerung stattgefunden hätten und ob "kritische Stimmen systematisch
unterdrückt" worden seien, wie der CSU-Politiker Lenz weiter erklärte.

Lemke und Habeck selbst weisen die Anschuldigungen von sich. In mehreren
Anhörungen in den Fachausschüssen und Debatten im Plenum versicherten sie, stets
nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben. Das Ministerium von Lemke
hält die Vorwürfe nach eigenen Angaben für "ausgeräumt". Habeck hatte nach einer
Anhörung im April versichert: "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute
Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer
auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet."

Ob sich diese Aussage halten lässt, wird sich in den kommenden Wochen
zeigen. Dann werden auch die beiden Minister als Zeugen dem Ausschuss Rede und
Antwort stehen müssen./faa/DP/zb
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