10.07.2024 18:19:57 - dpa-AFX: ROUNDUP: Umstrittener Hafendeal zwischen MSC und HHLA auf Zielgerade

HAMBURG (dpa-AFX) - Trotz aller Proteste und Bedenken hat die Hamburgische
Bürgerschaft dem umstrittenen Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim
Hafenlogistiker HHLA in erster Lesung zugestimmt. In namentlicher
Abstimmung votierten 71 von 105 Abgeordneten für den vom rot-grünen Senat
vorgelegten Gesetzentwurf. 34 Abgeordnete stimmten dagegen. Eine zweite und
abschließende Lesung in derselben Sitzung verweigerte die Opposition aus CDU,
Linken und AfD jedoch. Damit erfolgt der endgültige Beschluss zu dem mindestens
40 Jahre laufenden Vertrag zwischen der Stadt und MSC frühestens in der ersten
Sitzung nach der Sommerpause am 4. September. Angesichts der
Zweidrittel-Mehrheit der rot-grünen Koalition im Parlament gibt es keinen
Zweifel an der Zustimmung.

Hamburgs rot-grüner Senat will die Reederei Mediterranean Shipping Company
(MSC) an Bord holen, um die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und den
Containerumschlag zu stabilisieren. Die Stadt soll dabei 50,1 Prozent und MSC
49,9 Prozent an dem Unternehmen halten. Bislang gehörten der Stadt rund 70
Prozent, der Rest war in Streubesitz. Dafür will die Reederei ihr
Ladungsaufkommen an den HHLA-Terminals laut Gesetzentwurf vom kommenden Jahr an
erhöhen und bis 2031 auf eine Million Standardcontainer pro Jahr steigern.
Außerdem werde sie in der Hafencity eine neue Deutschlandzentrale bauen. MSC und
die Stadt gemeinsam wollen darüber hinaus unter anderem das Eigenkapital der
HHLA um 450 Millionen Euro erhöhen.

HHLA ist das Herz des Hamburger Hafens

Die HHLA gilt als das Herz des Hamburger Hafens. So wurden im vergangenen
Jahr an seinen drei Containerterminals rund 5,9 Millionen Standardcontainer
(TEU) umgeschlagen. Das entspricht rund 77 Prozent des Hamburger Gesamtumschlags
von etwa 7,7 Millionen TEU. Darüber hinaus ist die HHLA mit ihren knapp 6800
Beschäftigten engagiert bei Terminals im ukrainischen Hafen Odessa, im
italienischen Triest sowie im estnischen Hafen Muuga. Mindestens genauso wichtig
wie die Terminals sind für die HHLA ihre Unternehmen zum Weitertransport der
Container auf der Straße und der Schiene. Für Bahntransporte hat die HHLA ihre
Tochter Metrans, die im vergangenen Jahr knapp 1,4 Millionen TEU vor allem in
zahlreiche Länder in Mittel- und Südosteuropa gefahren hat.

Dennoch ist die Lage der HHLA schwierig. Als international ausgerichtetes
Unternehmen treffen sie die Krisen der Welt oft unmittelbar und hart. So blieb
im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von rund 1,45 Milliarden Euro gerade mal
ein Gewinn von 20 Millionen Euro übrig. Der Containerumschlag ging um 7,5
Prozent zurück, der Containertransport um 5,4 Prozent - und bestätigte damit
anders als bei den Hauptkonkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen einen seit der
Weltfinanzkrise 2008 mal mehr mal weniger anhaltenden Trend. Im ersten Quartal
dieses Jahres ist die HHLA sogar in die roten Zahlen gerutscht. Bei 363,6
Millionen Euro Umsatz verbuchte sie einen Nettoverlust von 1,1 Millionen Euro.

Erhebliche Bedenken gegen den Deal bei Beschäftigten und Experten

Gegen den Deal gibt es erhebliche Bedenken. Hafenarbeiterinnen und
Hafenarbeiter gingen mehrmals auf die Straße, machten bei Demonstrationen ihrem
Ärger Luft, schreckten gar vor einem wilden Streik nicht zurück. Betriebsräte,
die Gewerkschaft Verdi, ja selbst Sachverständige warnten in Expertenanhörungen
und in einer Öffentlichen Anhörung der Hamburgischen Bürgerschaft vor einem
"historischen Fehler". So steht etwa in der Drucksache, dass betriebsbedingte
Kündigungen, wesentliche Änderungen der Mitarbeiterzahl oder das Verlassen der
Arbeitgeberverbände "nicht vor Ablauf von fünf Jahren (...) in Betracht kommen".
Sehr wohl aber danach, sind Kritiker überzeugt.

Während der Parlamentsdebatte, die auch von teils fassungslosen, teils
verärgerten Hafenarbeitern in orangefarbenen Leuchtwesten mitverfolgt wurde,
schlugen einmal mehr die Wellen hoch. Opposition und Regierungskoalition warfen
sich gegenseitig vor, Unwahrheiten zu verbreiten oder Nebelkerzen zu zünden.
Während die einen von einem Hochrisikodeal sprachen, bei dem die Stadt
keineswegs stets die Kontrolle habe, betonten Vertreter von SPD und Grünen die
Chancen für den Hafen und die Stadt. AfD und Linke brachten erneut ein von
Rot-Grün abgelehntes Referendum ins Spiel, bei dem die Hamburger Bevölkerung
über die Zukunft der HHLA abstimmen sollte.

Senat verteidigt im Parlament MSC-Beteiligung

Finanzsenator Andreas Dressel und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard -
Bürgermeister Peter Tschentscher (alle SPD) war während der Debatte nicht im
Plenarsaal - verteidigten den Plan des Senats. Es gehe darum, die HHLA
zukunftsfest aufzustellen, sagte Leonhard. Und der Deal sei ein wohlüberlegtes
Partnerschaftspaket, "das der HHLA ermöglichen wird, unter Sicherung der
Arbeitsplätze und der Sicherung der Arbeitnehmerrechte eine gute Zukunft zu
haben". Dressel wiederum verwies erneut auf die im Vertrag eingebauten
Sicherungen etwa zum Ladungsaufkommen oder den Mitbestimmungsrechten. Für
Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen war damit klar: "Wir ziehen das jetzt
durch."/klm/DP/men
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