27.06.2024 12:19:46 - dpa-AFX: VERMISCHTES/ROUNDUP: Minister will Bundesjugendspiel-Reform rückgängig machen

WIESBADEN (dpa-AFX) - Rund ein Jahr nach der umstrittenen Reform der
Bundesjugendspiele will Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) diese schon
wieder rückgängig machen und den Leistungsaspekt mehr in den Blick nehmen. "Das
Rad muss jetzt ganz schnell wieder zurückgedreht werden. Es geht in die völlig
falsche Richtung, wenn wir unseren Kindern vermitteln, dass Leistung nichts mit
dem Leben zu tun hat", sagte er der "Bild"-Zeitung vor einem geplanten Treffen
der Sportkommission der Kultusministerkonferenz (KMK) mit Vertretern des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Donnerstag in Frankfurt.

Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr, handelt sich um ein reguläres Treffen, das einmal im Jahr stattfindet. Es werde besprochen, ob
man die Wettkampfkomponente wieder stärke, hieß es. Entscheidungen stünden aber
nicht an.

Wettbewerb statt Wettkampf - was bedeutet das?

Seit diesem Schuljahr werden die jährlich stattfindenden Spiele in der
Sportart Leichtathletik für alle Grundschulkinder bis zur vierten Klasse nur
noch als Wettbewerb und nicht mehr als Wettkampf organisiert. Bislang war das
nur in den ersten beiden Klassen der Fall. Der Leistungscharakter der
Bundesjugendspiele tritt so in den Hintergrund und die Leistungen von
Grundschülern werden nun anders und weniger starr bewertet. Mit dieser Neuerung
sollten die Spiele kindgemäßer werden, wie der Ausschuss für die
Bundesjugendspiele und die Kommission Sport der Kultusministerkonferenz (KMK)
bereits 2021 beschlossen hatten.

Doch was ist der Unterschied zwischen dem Wettbewerb und einem Wettkampf?
Laut einem Sprecher des Bundesfamilienministeriums ist ein Wettkampf nach klaren
Regeln normiert, ein Wettbewerb nicht. Das bedeutet: Wer zu den Besten gehört,
orientiert sich nicht mehr - wie bislang - an einer festgelegten Punktetabelle
in Deutschland, sondern an den Leistungen der Kinder einer Schule innerhalb
ihres Jahrgangs. Auch können Schulen beim Wettbewerb ohne die festgelegten
Punktetabellen neben klassischen Disziplinen wie 50-Meter-Sprint oder Weitsprung
noch andere Sportaufgaben anbieten - etwa Hürdensprint, Stoßen oder Drehwürfe.

"Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen"

Zudem sollen die Leistungen der Schüler nicht mehr zentimetergenau mit dem
Maßband oder der Stoppuhr erfasst werden, wie der Ministeriumssprecher erklärte.
Stattdessen gibt es künftig zum Beispiel beim Weitsprung oder Werfen bestimmte
Zonen, in denen bestimmte Punkte vergeben werden. Es solle bei den jährlich
stattfindenden Spielen insbesondere darum gehen, sich zu bewegen, Freude zu
haben und sein Bestes zu geben, heißt es auf der Internetseite der
Bundesjugendspiele. "Vor allem aber geht es auch um Fairness, Respekt,
Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen."

Die traditionelle Vergabe von Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden
hingegen gibt es weiterhin, jedoch nach einem festen Schlüssel. Die besten 20
Prozent - getrennt nach Jahrgang und Geschlecht - bekommen die Ehrenurkunde, die
mittleren 50 Prozent eine Siegerurkunde und die unteren 30 Prozent die
Teilnehmerurkunde.

Bundesfinanzminister Lindner und GEW sind sich uneinig

CDU-Minister Schwarz findet: "Wenn alles beliebig wird, gibt es keinen
Ansporn mehr, besser zu werden. Das wäre bedenklich für unsere Gesellschaft. Wir
müssen deshalb auch den Spaß am sportlichen Wettkampf viel mehr fördern, statt
ihn zu bremsen." Ähnlich äußerte sich auch Bundesfinanzminister Christian
Lindner (FDP) am Donnerstag auf der Plattform X: "Wenn Spitzenleistung erbracht
wird, sollte sie auch honoriert werden. Verliert dieses Prinzip an Geltung,
verlieren am Ende alle."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hingegen nannte die Reform vor deren Einführung einen guten Ansatz - mit Luft nach oben. Zwar gehe es beim
Wettbewerbsgedanken nun mehr um Respekt, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen,
sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze. "Man hätte aber noch einen
größeren Schritt machen können, zum Beispiel, indem man noch stärker das Team in
den Mittelpunkt stellt. Dass man bestimmte Sportarten anbietet oder sich
gegenseitig hilft bei bestimmten Dingen." Auch sollte jeder, der teilnimmt, in
irgendeiner Form prämiert werden, ohne dass die Teilnehmer mit verschiedenen
Urkunden verglichen werden. Es sei wichtig, die Kinder dafür zu begeistern, sich
gemeinsam zu bewegen und Freude am Sport zu haben.

Der DOSB steht nach Angaben eines Sprechers weiter hinter der Reform von
2023. Er verwies auf eine Mitteilung des Verbands vom vergangenen Sommer, in der
es unter anderem hieß: "Wettbewerb im Gegensatz zum Wettkampf bedeutet nicht,
dass es sich um ein rein spielerisches Angebot handelt. Der Wettbewerb ist
vielmehr als ein auf die Entwicklung der Kinder angepasstes sportliches Angebot
zu verstehen."/ram/DP/jha

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