09.07.2024 07:15:05 - dpa-AFX: ROUNDUP: BGH urteilt zu Zinsberechnung für Prämiensparverträge

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Einst Verkaufsschlager - nun Ärgernis: Seit Jahren
gibt es Streit um Prämiensparverträge, die Sparkassen und Volksbanken mit
Hunderttausenden Kunden abschlossen. Dass Geldhäuser in vielen Fällen die
Zinssätze einseitig zu ihren Gunsten ändern konnten, hat der Bundesgerichtshof
(BGH) bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig erklärt. Nicht höchstrichterlich
geklärt ist bislang die Frage, wie die Zinsen für diese Produkte zu berechnen
sind. Verbraucherschützer erwarten, dass die Karlsruher Richter auf Basis zweier
Musterklagen an diesem Dienstag (09.00 Uhr) für Klarheit sorgen werden.

Was ist ein Prämiensparvertrag?

Sparerinnen und Sparer erhalten bei diesem Produkt zusätzlich zum variablen
Zins eine Prämie, die meist nach Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Je länger
regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus. Solche
Sparverträge wurden in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre vertrieben - vor
allem von Sparkassen ("Vorsorgesparen", "Vermögensplan"), aber auch von Volks-
und Raiffeisenbanken ("Bonusplan", "VRZukunft").

Warum sind Prämiensparverträge umstritten?

In vielen dieser Verträge gibt es Klauseln, die Geldhäusern einseitig das
Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung zu ändern - etwa: "Der jeweils
gültige Zinssatz wird durch Aushang bekanntgegeben." Die Bank konnte den Zins so
zum eigenen Vorteil anpassen. Anhand der Prüfung Tausender Verträge kamen
Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass Sparer deswegen im Schnitt etwa 4.000
Euro zu wenig Zinsen erhalten haben.

Wie haben Gerichte bisher entschieden?

Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigten sich Gerichte mit
Prämiensparverträgen und deren Verzinsung. Der BGH entschied bereits 2004, dass
Vertragsklauseln rechtswidrig waren, mit denen sich Sparkassen eine Senkung
ihrer Zinsen nach Belieben erlaubten. Seither wird gestritten, wie hoch die
Verzinsung hätte sein sollen. 2021 bestätigte der BGH frühere Urteile, wonach
viele Altverträge von Sparkassen unzulässige Klauseln enthalten.

Welche Modelle zur Zinsberechnung gibt es?

Im April 2022 legte das Oberlandesgericht Dresden in einem Einzelfall
erstmals einen Referenzzins fürs Prämiensparen fest: die Umlaufrendite
börsennotierter Bundeswertpapiere mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit. Zugleich
sprach sich das OLG gegen die Nutzung des sogenannten gleitenden Durchschnitts
bei der Zinsberechnung aus, der anhand aktueller und historischer Geld- und
Kapitalmarktzinsen ermittelt wird. Es folgten Anfang 2023 vergleichbare Urteile
des OLG Naumburg und des OLG Dresden in Massenverfahren, die nun Gegenstand der
BGH-Verhandlung sind. Die Oberlandesgerichte in Bayern und Brandenburg legten in
späteren Urteilen andere Berechnungsmethoden für den Referenzzins zugrunde.
Jurist Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen ist daher "sehr
sicher, dass der BGH ein Schlusswort sprechen wird".

Wie viele Kunden sind betroffen?

Im Jahr 2021 gab es etwa 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland,
aktuellere Zahlen liegen der Finanzaufsicht Bafin nicht vor. Seither dürfte die
Zahl deutlich gesunken sein, weil Institute - soweit rechtlich möglich -
teilweise ganze Vertragsjahrgänge kündigten. Bei laufenden Verträgen fließen
Zinsnachzahlungen nicht automatisch. Verbraucherzentralen machen seit Jahren mit
Musterfeststellungsklagen Druck. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen führt
neun solcher Verfahren, denen sich 6000 Verbraucher angeschlossen haben.

Dürfen Geldhäuser Prämiensparverträge kündigen?

"Je länger Sie sparen, desto höher steigt Ihre Prämie", so warben einst
Sparkassen für Produkte wie das "S-Prämiensparen flexibel". Und versprachen:
"Sie alleine bestimmen, wie lange Sie sparen wollen." Doch in der
Niedrigzinsphase, die erst im Sommer 2022 endete, versuchten viele Institute,
sich der Altverträge zu entledigen. Denn weil viele Sparerinnen und Sparer schon
seit Jahren einzahlen, stehen ihnen vergleichsweise hohe jährliche Prämien zu.
Das war für die Institute gerade in Zeiten von Null- und Negativzinsen teuer.

Auch der Streit um Kündigungen von Prämiensparverträgen ging bis vor den
BGH. Der entschied im Mai 2019: "Der Sparvertrag darf nicht vor Erreichen der
höchsten Prämienstufe gekündigt werden." Sparer müssen die maximal mögliche
Prämie also mindestens einmal mitnehmen dürfen. Danach läuft der Vertrag zwar
weiter, kann aber jederzeit einseitig gekündigt werden.

Wie können Verbraucher ihre Rechte durchsetzen?

Wenn der BGH ein Urteil zu den Musterfeststellungsklagen spricht, gibt
dieses eine allgemeine Tendenz vor. Durchsetzen müssen es die einzelnen
Betroffenen jeweils individuell bei ihrer Bank. "Sparkassen müssten nicht
zwingend reagieren, sondern könnten auf Individualklagen warten", sagt der
Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen, Michael Hummel. "Ich
halte es jedoch für wenig wahrscheinlich, dass die Institute das aussitzen, denn
es stehen schon diverse Rechtsdienstleister in den Startlöchern, um die
Ansprüche der Verbraucher durchzusetzen."

Verjähren Ansprüche irgendwann?

Wer sich keiner Musterklage angeschlossen hat, kann seine Bank unter
Berufung auf bereits ergangene BGH-Urteile auffordern, die Zinsen des
Sparvertrages neu zu berechnen. Im Fall eines gekündigten Vertrages müssen
Ansprüche nach vorherrschender Rechtsmeinung aber binnen drei Jahren angemeldet
werden, damit sie nicht verjähren. Die Verbraucherzentrale Sachen will in dieser
Frage eine zehnjährige Verjährungsfrist durchsetzen./ben/DP/zb
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
DEUTSCHE BANK AG NA O.N. 514000 Frankfurt 15,054 19.07.24 19:29:51 -0,168 -1,10% 0,000 0,000 15,182 15,054
COMMERZBANK AG CBK100 Frankfurt 15,140 19.07.24 15:26:12 -0,150 -0,98% 0,000 0,000 15,280 15,140

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