13.05.2024 12:11:16 - dpa-AFX: POLITIK/Studie: Gymnasialbesuch vom Elternhaus abhängig - Länder-Unterschiede

BERLIN (dpa-AFX) - Kinder aus Familien mit geringerem Bildungsgrad und
kleinerem Einkommen gehen einer Studie zufolge seltener aufs Gymnasium als
Gleichaltrige aus bessergestellten Familien mit höherer Bildung. Dabei gibt es
deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Wie eine am Montag
vorgestellte Untersuchung des ifo-Instituts zeigt, besuchen in Deutschland knapp
27 Prozent der Kinder mit Eltern, die weder Abitur haben noch zum oberen Viertel
der Einkommen gehören ein Gymnasium. In Familien mit mindestens einem Elternteil
mit Abitur und/oder einem Haushaltseinkommen im oberen Viertel sind es knapp 60
Prozent.

Eine Untersuchung mit ähnlichen Ergebnissen hatte das ifo-Institut bereits
vor einem Jahr vorgelegt. Dieses Mal ging es vor allem darum, Unterschiede
zwischen den Bundesländern herauszuarbeiten. "Die Ungleichheit der
Bildungschancen ist in allen Bundesländern sehr stark ausgeprägt", heißt es in
der Studie. Der relative Unterschied oder das Chancenverhältnis zwischen Kindern
"mit niedrigerem Hintergrund" und denen mit "höherem Hintergrund" ist demnach
aber in Ländern wie Berlin (37/69), Brandenburg (35/66) oder Rheinland-Pfalz
(31/59) besser. Bayern (20/53) oder Sachsen (27/67) schneiden schlechter ab.

Grundlage für die Untersuchung war den Angaben zufolge der Mikrozensus mit
Daten von 2018 und 2019. Analysiert wurden die Haushalte mit mindestens einem
Kind zwischen 10 und 18 Jahren mit Blick darauf, ob die Kinder an Gymnasien oder
Universitäten lernten. Als zweiter Faktor wurde das Haushaltsnettoeinkommen
berücksichtigt und ob dieses mit mindestens 5000 Euro im Monat im oberen Viertel
lag. Insgesamt wurde laut Studie eine Stichprobe von 102 005 Kindern untersucht.
Die Fallzahlen pro Bundesland reichten von 947 Kindern in Bremen bis 23 022
Kindern in Nordrhein-Westfalen.

Die Untersuchung bestätigt Befunde anderer Bildungsstudien, wonach
Bildungschancen in Deutschland stark mit der sozialen Herkunft zusammenhängen.
Die festgestellten Unterschiede seien statistisch, bildungspolitisch und
wirtschaftlich bedeutsam, hieß es. "Tatsächlich verdienen Menschen mit Abitur im
Durchschnitt monatlich netto 42 Prozent mehr als Menschen ohne Abitur."

Die Autoren fordern unter anderem, die frühkindliche Bildungsangebote für
benachteiligte Kinder auszubauen und eine Aufteilung auf unterschiedliche
weiterführende Schulen zu verschieben. Verwiesen wird auf Berlin und
Brandenburg, wo die Grundschulzeit im Unterschied zu allen anderen Bundesländern
erst nach der sechsten Klasse endet.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) plädiert sogar für ein
noch längeres gemeinsames Lernen. "Die Chancengleichheit in der Bildung erhöht
sich, wenn die Schülerinnen und Schüler mindestens bis zur 10. Klasse zusammen
lernen. Das zeigt das Beispiel der skandinavischen Staaten. Je weniger
Selektion, desto besser kann jedes Kind seine Bildungspotenziale entwickeln",
sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze am Montag in einer Mitteilung
der Gewerkschaft./jr/DP/men

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH