26.05.2024 19:13:35 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Macron und Steinmeier beschwören deutsch-französische Freundschaft

(aktualisierte Fassung)

BERLIN (dpa-AFX) - Zum Auftakt des ersten Staatsbesuchs eines französischen
Präsidenten in Deutschland seit 24 Jahren haben Emmanuel Macron und
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bedeutung der deutsch-französischen
Freundschaft für Europa beschworen. Die Zusammenarbeit beider Länder sei
"unabdingbar und wichtig", sagte Macron nach seiner Ankunft mit seiner Frau
Brigitte in Berlin. Er widersprach dem Eindruck, dass der deutsch-französische
Motor ins Stottern geraten sei: "Das stimmt nicht. Wir schreiten voran."

Steinmeier sagte, die deutsch-französische Freundschaft sei "existenziell
für unsere Länder, auch für Europa". Es habe zwar immer wieder Kritik an
Meinungsverschiedenheiten gegeben. "Aber bis in die letzten Tage hinein gibt es
doch genügend Belege dafür, dass wir uns trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte
am Ende einigen", sagte der Bundespräsident. "Diese Zeiten fordern das Beste in
uns heraus, und das Beste in uns ist das Gemeinsame."

Gemeinsamer Aufruf zur Europawahl

Steinmeier und Macron sicherten der von Russland angegriffenen Ukraine
anhaltende Unterstützung zu und riefen gemeinsam auf, Anfang Juni an der
Europawahl teilzunehmen. Macron warnte aber auch eindringlich vor der Wahl
extrem rechter Parteien. Wenn diese Parteien in den letzten Jahren am Ruder
gewesen wären, "dann gäbe es kein Europa mehr".

"Dieser Staatsbesuch (...) erfolgt zu einem entscheidenden Moment für
Europa", betonte Macron. "Wir müssen im Grunde imperialistischem Streben in
Europa, einer Rückkehr der Gewalt und der Rechtslosigkeit, und beispiellosen
Herausforderungen für unsere Zukunft die Stirn bieten". Dies setze "in gewisser
Weise einen deutsch-französischen Schub voraus".

Auch Merkel beim Staatsbankett

Zum Auftakt des dreitägigen Besuchs besuchten die beiden am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratiefest im Regierungsviertel zur Feier von 75 Jahren
Grundgesetz. Anschließend wurde Macron von Steinmeier vor dem Schloss Bellevue
offiziell mit militärischen Ehren empfangen. Am Abend war ein Staatsbankett
geplant, zu dem auch die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und hochrangige
Vertreter aus Wirtschaft und Kultur erwartet wurden. Auf dem Speiseplan standen
Sauerbraten und Beelitzer Spargel.

Am Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirche in Dresden
halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internationalen Preis des
Westfälischen Friedens geehrt - bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehreren Mitgliedern beider Regierungen
zusammenkommt. Dabei soll es um die europäische Verteidigung und die
Wettbewerbspolitik gehen.

Im ersten Anlauf hatte es nicht geklappt

Französische Präsidenten kommen zwar recht häufig zu politischen Gesprächen
nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesuch hatte aber Präsident Jacques
Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesuch dauert anders als ein
Arbeitsbesuch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegten Protokoll, zu dem
beispielsweise ein Staatsbankett und der Besuch an mindestens einem Ort
außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als
Präsident eins der fünf ostdeutschen Bundesländer neben Berlin besuchen. Im Juli
vergangenen Jahres hatte er den Staatsbesuch wegen Unruhen in Frankreich
verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.

Differenzen in wichtigen Fragen

Steinmeier und Macron betonten am ersten Tag des Staatsbesuchs auch ihre
guten persönlichen Beziehungen. Auf Regierungsebene läuft es zwischen Berlin und
Paris aber derzeit nicht so gut. Bei Schlüsselthemen knirscht es immer wieder
zwischen beiden Hauptstädten. Das gilt für die Unterstützung für die Ukraine
ebenso wie etwa für die wirtschaftspolitische Ausrichtung gegenüber den
Konkurrenten USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesuch bei einem
deutsch-französischen Ministerrat am Dienstagnachmittag in Schloss Meseberg, dem
Gästehaus der Bundesregierung, nördlich von Berlin erörtert werden.

So predigt Macron eine größere europäische Autonomie mit eigener
Verteidigungsstrategie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz
aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlantischen
Orientierung und dem wichtigen Handelspartner China fest. Und im
Ukraine-Konflikt überraschte Macron Scholz mit seinen Überlegungen zum Entsenden
von Bodentruppen, was Scholz kategorisch ablehnt.

Auch eine Lieferung von weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern an das von
Russland angegriffene Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine
Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug
vor, als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU insgesamt viel zu wenig für die
Ukraine zu tun.

Europa-Reden ohne Antworten aus Berlin

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisierte, dass die Beziehungen
zwischen beiden Ländern so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr seien. Er
verlangte unmittelbar vor dem Besuch Macrons ein klares europapolitisches Signal
der Bundesregierung. Merz kritisierte, dass Macron aus Berlin zu seinen beiden
großen Europa-Reden an der Sorbonne keine Antwort aus Deutschland bekommen habe.
"Das ist in Paris zu Recht, und zwar parteiübergreifend, auf große Irritation
gestoßen", sagte Merz dem Sender rbb24 Inforadio.

Die erste Rede fiel noch in die Regierungszeit von Angela Merkel (CDU).
Macron trat auf einer gemeinsamen Pressekonferenz dem Eindruck entgegen, dass es
darauf keine Antwort gegeben habe. Es habe zwar keine formale Antwort gegeben,
trotzdem habe er mit Merkel gemeinsame Projekte auf den Weg
gebracht./mfi/sk/DP/he

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