02.07.2024 17:51:15 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP/Experte: Schulungen für Turnier-Sicherheit 'nicht geeignet'

BERLIN (dpa-AFX) - Nach mehreren Sicherheitspannen bei der Fußball-EM sieht
Experte Harald Olschok Defizite vor allem bei der Schulung des
Sicherheitspersonals. "Das ist die falsche Schulung. Die gesetzliche Vorgabe ist
eine rein theoretische Unterrichtung im Klassenzimmer der Industrie- und
Handelskammer - und die ist nicht geeignet für den Schutz von Veranstaltungen",
sagte Olschok der Deutschen Presse-Agentur. Beim deutschen Achtelfinale gegen
Dänemark hatte ein Mann für Aufsehen gesorgt, der vermummt und mit Rucksack
unter das Dach des Dortmunder Stadions gelangt war.

Olschok schlägt eine praktischere Ausbildung an den Einsatzorten für das
Sicherheitspersonal vor. Es sei wichtig, die Räume und Fluchtwege zu kennen,
aber auch Kontakte zu den staatlichen Sicherheitskräften von der Feuerwehr oder
zu Sanitätern zu haben. "Es ist die völlig falsche Qualifizierung für diese
spezielle Tätigkeit", sagte der Honorarprofessor für Sicherheitswirtschaft von
der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

UEFA kann Kritik nachvollziehen

Das Sicherheitspersonal müsse für eine Woche ein sogenanntes
Unterrichtungsverfahren durchlaufen. Dem Personal werde zwar beigebracht, was
die Rechte und Pflichten des Sicherheitspersonals sind. "Aber da findet sich mit
keinem Satz das Thema: Wie verhalte ich mich in einem Stadion in Dortmund oder
München?", bemängelte Olschok.

Die Europäische Fußball-Union UEFA reagierte mit Verständnis auf die Kritik. Diese könne der Verband "sehr gut nachvollziehen", die UEFA sei selbst mit der
Lösung, die den Organisatoren "von behördlicher Seite auferlegt wurde, nur
bedingt einverstanden". Die gesetzlichen Anforderungen an die Qualifizierung von
Veranstaltungsordnern mit Sicherheitspflichten würden "auf sehr alte
Gewerbeordnungen" zurückgehen, schrieb die UEFA auf dpa-Anfrage. "Dies ist - aus
unserer Sicht - nachweislich nicht geeignet, um Stewards auf ihre konkreten
Aufgaben im Rahmen von Fußballspielen vorzubereiten."

Der Verband verwies auf das Qualifizierungsprogramm des Deutschen
Fußball-Bundes für Ordner (QuaSOD), das über zehn Jahre "systematisch
weiterentwickelt und gefördert" worden sei. "Leider wurde trotz der
Unterstützung aller Sicherheitsexperten und der UEFA für die UEFA EURO 2024 in
Deutschland keine rechtliche Anerkennung für QuaSOD auf politischer Ebene
akzeptiert", teilte die UEFA mit. "Infolgedessen gibt es immer noch eine
zusätzliche, zeitaufwändige und unpraktische gesetzliche Anforderung, die eine
der Hauptursachen für den Fachkräftemangel im Sicherheitsdienst und im
Stewarding ist."

Sichere EM - trotz Pannen

Olschock sieht die EM trotz der jüngsten Pannen als sichere Veranstaltung an - gerade in Anbetracht der vielen Millionen Menschen, die bereits unterwegs
waren. Sicherheitslücken könne man nie gänzlich ausschließen. "Wichtig ist es,
aus Vorfällen wie diesen Konsequenzen zu ziehen und daraus zu lernen", sagte er.

In Dortmund hatten Einsatzkräfte einer Spezialeinheit den 21-Jährigen erst
nach mehr als anderthalb Stunden festgenommen. Polizeiangaben zufolge wollte der
Mann Fotos machen. "Zu keinem Zeitpunkt" habe eine Gefahr bestanden, hieß es.

Beim Eröffnungsspiel in München hatte sich ein Webvideoproduzent in einem
Kostüm des Maskottchens "Albärt" mit gefälschter Akkreditierung Zugang zum
Innenraum des Münchner Stadions verschafft. Auch sogenannte Flitzer gelangten
bei Spielen immer wieder auf das Feld, um Fotos mit Spielern zu
machen./pul/DP/he

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