03.07.2024 05:47:48 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Taktisch täuschen: Filmreife Tricks bei Mäusen

WARSCHAU (dpa-AFX) - Es ist ein beliebter Dreh in Action-Filmen: Der
verfolgte Held versteckt sich direkt am Eingang und entwischt dem
hereinstürmenden Angreifer dann hinter dessen Rücken. Man mag es ihnen kaum
zutrauen, aber: Auch Mäuse nutzen diesen Trick, wie ein Forschungsteam im
Fachjournal "Open Science" der britischen Royal Society berichtet.

Mit voller Absicht taktisch täuschen - das konnte demnach für Mäuse mit
speziellen Versuchen nun erstmals nachgewiesen werden. Videos der Tests zeigen,
wie eine Maus von einer anderen in eine Kammer gejagt wird. Mauseschlau
versteckt sie sich direkt am Eingang, wird vom hereinstürmenden Verfolger
übersehen - und flieht hinter dessen Rücken hinaus.

Das Team um Rafal Stryjek von der Polnischen Akademie der Wissenschaften in
Warschau hatte Testkammern mit einem Kunststoffrohr als einzigem Ein- und
Ausgang in der Nähe eines Waldes aufgestellt und regelmäßig mit einer Leckerei -
Schokoladen-Nusscreme - ausgestattet. In dem Gebiet leben Brandmäuse (Apodemus
agrarius) und Gelbhalsmäuse (Apodemus flavicollis) - Arten, die ihr Territorium
engagiert verteidigen, wie es in der Studie heißt. Entsprechend häufig gibt es
Streit.

An den Futterkammern war das nicht anders, wie die Forschenden schreiben.
Wurde dabei eine Brandmaus von einem Konkurrenten derselben oder einer anderen
Art attackiert, verfiel sie mitunter auf den Trick, sich nach dem Betreten der
Kammer direkt am Eingang zu platzieren, ihren Verfolger an sich vorbeirasen zu
lassen und hinter seinem Rücken zu entwischen.

Mitunter befand sich die erste Maus auch schon in der Kammer und führte ein
ähnliches Manöver durch: ankommende Maus hören, sich am Eingang verstecken,
Neuankömmling vorbeiziehen lassen und auf eine günstige Gelegenheit warten, um
aus der Kammer zu witschen.

Wiederholte Täuschungen

Insgesamt seien bei insgesamt 143 erfassten Begegnungen 21 solche
Täuschungen durch Brandmäuse erfasst worden, hieß es. Die Verfolgten hätten auf
diese Weise einen Kampf in der ansonsten ausweglosen Kammer vermieden - in den
meisten Täuschungsfällen sei der Verfolger eine größere, stärkere Gelbhalsmaus
gewesen. Bei Gelbhalsmäusen wiederum sind Täuschungsmanöver den Studiendaten
zufolge offenbar selten.

Wie die Täuschung im Detail ablief, war bei den Brandmäusen
situationsabhängig und von Tier zu Tier sehr verschieden. Das Team um Stryjek
schließt aus diesen und weiteren Hinweisen, dass es sich wahrscheinlich nicht um
ein komplett ererbtes oder aber ein erlerntes Verhalten handelt, sondern
zumindest teilweise um eine spontane, kreative Reaktion auf eine neue
Herausforderung.

"Da die Brandmäuse die Gelbhalsmäuse nicht mit Kraft besiegen können, setzen sie offenbar stattdessen auf Taktik und Täuschung, um ihre Gegner zu
übertrumpfen und eine physische Konfrontation zu vermeiden", heißt es in der
Studie. Aus dieser Hypothese eine gänzlich bewiesene Tatsache zu machen, sei
allerdings schwierig - Absichten seien letztlich oft nur zu vermuten und schwer
gesichert nachzuweisen.

Auch Ratten und Hörnchen tricksen gezielt

Ein anderes Tier absichtlich zu täuschen, sei ein komplexes Verhalten, dem
hoch entwickelte kognitive Fähigkeiten zugrunde lägen, erläutern die
Forschenden. Bisher seien solche Tricks fast nur von Primaten und Rabenvögeln
bekannt. Auch bei Hörnchen und Ratten gibt es allerdings entsprechende Hinweise
aus Studien: Grauhörnchen legen leere Nussdepots an, um gezielt potenzielle
Futterdiebe zu täuschen. Und Ratten können Verstecken spielen und dabei auch die
Rollen tauschen, mit Menschen wohlbemerkt./kll/DP/zb

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