14.07.2024 15:49:28 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/UN nach Luftangriff: Furchtbare Lage in Gazas Krankenhäusern

TEL AVIV/GAZA/DOHA (dpa-AFX) - Nach einem israelischen Luftangriff auf den
Militärchef der Hamas mit zahlreichen Toten weist UN-Vertreter Scott Anderson
auf das Leid palästinensischer Zivilisten und die Not in Krankenhäusern hin. Der
Direktor des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge in Gaza sprach von einigen
der schrecklichsten Szenen, die er in den vergangenen neun Monaten gesehen habe.

In dem Krankenhaus von Chan Junis, das er besucht habe, gebe es nicht
genügend Betten, viele Patienten würden auf dem Boden und ohne ausreichende
Desinfektionsmöglichkeiten behandelt, sagte Anderson. "Die Luft war voller
Blutgeruch."

Verzweifelte Eltern hätten ihm gesagt, dass sie in die humanitäre Zone
gezogen seien in der Hoffnung, dass ihre Kinder dort sicher wären, sagte
Anderson. Er forderte dazu auf, Zivilisten jederzeit zu schützen. Eine
Waffenruhe sei dringend notwendig, und die im Gazastreifen verbliebenen Geiseln
müssten freigelassen werden.

Luftangriff galt Hamas-Militärchef

Die israelische Armee hatte am Samstag im Gazastreifens den Anführer des
militärischen Arms der Hamas, Mohammed Deif, angegriffen und dabei Dutzende
andere Menschen getötet. Ob auch Deif bei dem Luftangriff getötet oder verletzt
wurde, blieb ungewiss.

Ein Hamas-Vertreter in Beirut bestritt am Sonntag, dass Deif getötet worden
sei. "Mohammed Deif geht es gut, und er befiehlt weiterhin den Widerstand gegen
den israelischen Feind", sagte der Hamas-Funktionär Ali Barakeh der Deutschen
Presse-Agentur in Beirut.

Deif ist der Chef der Kassam-Brigaden und Stellvertreter des Gaza-Chefs der
Hamas, Jihia al-Sinwar. Israel hat sich als ein Ziel im Gaza-Krieg gesetzt,
Sinwar und Deif gefangenzunehmen oder zu töten.

Deif wird oft das "Phantom" genannt. Die israelische Zeitung "Haaretz"
bezeichnete ihn als "wandelnden Geist", der mindestens sieben israelische
Anschläge überlebt habe. Der 58-Jährige gilt als einer der von Israel
meistgesuchten Terroristen. Seit den 1990er Jahren kämpft er in den Reihen der
Hamas. Bis vor gut einem halben Jahr ging man in Israel davon aus, dass Deif
mehrere Gliedmaßen verloren und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen hat.
Bis schließlich Aufnahmen auftauchten, die Deif mit beiden Armen und beiden
Beinen zeigten.

Trotz Luftangriff sollen Verhandlungen weitergehen

Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem israelischen Militäreinsatz mindestens 90 Menschen getötet. Mindestens 300 weitere Menschen seien zudem in
der humanitären Zone Al-Mawasi verletzt worden, teilte die von der Hamas
kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Diese Angaben konnten zunächst nicht
unabhängig überprüft werden.

Ein Vertreter des politischen Flügels der islamistischen Hamas dementierte
Berichte, wonach die indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe
und die Freilassung von Geiseln abgebrochen werden. Es treffe nicht zu, dass die
Hamas eine solche Entscheidung nach dem israelischen Luftangriff getroffen habe,
hieß es in einer Mitteilung auf dem Hamas-Kanal bei Telegram.

Israelischen Medienberichten zufolge will der Chef des israelischen
Auslandsgeheimdienstes Mossad, Daniel Barnea, in den kommenden Tagen zu einer
weiteren Runde der Geisel-Gespräche in die katarische Hauptstadt Doha reisen.

Bei den seit Monaten laufenden Verhandlungen geht es um den Austausch der
verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in
israelischen Gefängnissen sowie eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Lieferung
humanitärer Hilfsgüter. Die indirekten Gespräche verlaufen schleppend. Israel
lehnt bislang die Forderung der Hamas nach einer dauerhaften Waffenruhe ab.

Drei Verletzte bei Terroranschlag

Bei einem mutmaßlichen Terroranschlag sind drei Menschen nahe der
israelischen Stadt Ramla zum Teil schwer verletzt worden. Nach Angaben von
Polizei und Rettungsdienst fuhr der Täter mit einem Auto in eine Gruppe von
Fußgängern an einer Bushaltestelle. Die Haltestelle liegt an einer Kreuzung in
unmittelbarer Nähe einer Kaserne. Ein Polizeisprecher sagte, der aus
Ost-Jerusalem stammende Fahrer des Wagens sei "neutralisiert" worden - dabei
blieb unklar, ob er getötet oder verletzt wurde.

In Hebron im Westjordanland nahmen Grenzpolizisten Medienberichten zufolge
eine 37 Jahre alte Palästinenserin fest, in deren Tasche ein Messer gefunden
worden war. Sie wird verdächtigt, einen Messerangriff geplant zu haben. Den
Berichten zufolge gab sie nach ihrer Festnahme an, ihr Mann sei als Mitglied der
islamistischen Hamas in einem israelischen Gefängnis inhaftiert.

Weitere Demonstrationen für Geisel-Deal in Israel

In Israel demonstrierten am Samstagabend erneut Tausende Menschen. Sie
forderten Regierungschef Benjamin Netanjahu auf, die noch rund 120 Geiseln in
der Gewalt der Hamas nach Hause zu bringen. "Wir fordern, dass Sie aufhören, das
Abkommen zu sabotieren, wir fordern, dass Sie das Abkommen unterzeichnen", wurde
die Mutter einer Geisel von israelischen Medien zitiert.

Israel reagiert auf Beschuss durch Hisbollah

Die israelische Luftwaffe griff am Samstag nach Beschuss durch die
proiranische Hisbollah Stellungen der Miliz im Südlibanon an. Wie die
israelische Armee mitteilte, sei die Anlage bombardiert worden, von der aus
zuvor Geschosse auf den Norden Israels abgefeuert worden seien./czy/DP/nas

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