24.05.2024 07:02:35 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Massensterben von Seeigeln wird zur weltweiten Pandemie

TEL AVIV (dpa-AFX) - Ein Massensterben von Seeigeln weitet sich immer mehr
zur globalen Pandemie aus. Inzwischen sei die tödliche Erkrankung auch im
Indischen Ozean nachzuweisen, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal
"Current Biology". Aufnahmen zeigen unzählige tote Seeigel an einem Strand der
Insel La Réunion. Der Ausbruch stelle eine unmittelbare Bedrohung für
Korallenriffe weltweit dar: Seeigel fressen Algen, die sonst Korallen
überwuchern und abtöten würden.

Ein auf Wimperntierchen zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln war im Januar 2022 zunächst auf den US-amerikanischen Virgin Islands aufgefallen. In
den Monaten darauf wurden ähnliche Beobachtungen in weiten Teilen der Karibik
gemacht. Dann waren auch das Mittelmeer und rasch auch das Rote Meer betroffen.

Ganze Populationen verschwinden

Die Forschenden schätzen, dass seit Dezember 2022 der größte Teil der
Populationen betroffener Seeigel-Arten im Roten Meer sowie hunderttausende
Seeigel weltweit vernichtet wurden. Im Riffsystem nahe der israelischen
Küstenstadt Eilat zum Beispiel seien die beiden Seeigel-Arten, die zuvor im Golf
von Akaba am häufigsten vorkamen, vollständig verschwunden.

Das Team um Omri Bronstein von der Universität Tel Aviv identifizierte nun
den Erreger, der für das Massensterben von Gewöhnlichen Diadem-Seeigeln (Diadema
setosum) - langstacheligen, schwarzen Seeigeln - im Roten Meer verantwortlich
ist: ein der Art Philaster apodigitiformis ähnliches Wimperntierchen. Der
einzellige Parasit sei auch die Ursache für das Massensterben des Atlantischen
Diadem-Seeigels (Diadema antillarum) in der Karibik vor etwa zwei Jahren.

40 Jahre - und noch immer nicht vollständig erholt

Bereits 1983 war ein verheerender Zusammenbruch der Population in dieser
Region beobachtet worden. Sowohl die Korallen- als auch die Seeigel-Populationen
der Karibik haben sich davon nie wieder vollständig erholt, wie es von den
Forschenden heißt. Zu vermuten ist, dass auch damals schon der nun
identifizierte Erreger die Ursache war. Dem Forschungsteam zufolge befällt das
Wimperntierchen auch Echinothrix-Seeigel, eine eng mit Diadema verwandte Gruppe
von Arten.

Der Parasit lässt die Tiere binnen zwei Tagen zur gewebslosen Hülle werden - wenn nicht Fressfeinde die geschwächten Tiere schon vorher erbeuten. Der
tödliche Erreger werde über das Wasser übertragen und könne in kürzester Zeit
große Gebiete befallen, hieß es. Die Stabilität der Korallenriffe sei in einem
noch nie dagewesenen Ausmaß bedroht, sagte Bronstein. Die Seuche breite sich
entlang menschlicher Transportwege aus, wie Daten aus dem Roten Meer zeigten.

Züchten, um die Art zu erhalten

Es sei unheimlich, tausende Seeigel am Meeresboden binnen kürzester Zeit zum Skelett werden und verschwinden zu sehen, so Bronstein. Bisher gebe es keine
Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen. Dringend notwendig seien
Brutpopulationen gefährdeter Arten in vom Meer abgetrennten Zuchtsystemen, um
später wieder gesunde Tiere in die Natur entlassen zu können. Zudem müsse
erforscht werden, welche Faktoren zu dem Ausbruch führten. Als ein möglicher
Grund gelten veränderte Umweltbedingungen.

Wimpertierchen bestehen aus nur einer Zelle und haben Härchen auf ihrer
Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser vor
und sind oft harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen
Wimpertierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien
verantwortlich gemacht./kll/DP/stk

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH