16.07.2024 06:35:02 - dpa-AFX: ROUNDUP/Baerbock: Autokraten nutzen Fehler Europas in Afrika aus

DAKAR (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock will im Wettstreit mit
Russland und China bei afrikanischen Staaten um Partnerschaften auf Augenhöhe
werben. Autokraten griffen verstärkt nach Recht und Einfluss, kritisierte die
Grünen-Politikerin am Montagabend in einer Rede im Goethe-Institut in der
senegalesischen Hauptstadt Dakar mit Blick auf Moskau und Peking. "Dabei
versuchen sie auch, die Wunden zu instrumentalisieren, die Europa in der Welt
hinterlassen hat, gerade hier in Afrika", fügte Baerbock hinzu.

Wenn Russland das tue und zugleich einen imperialen Krieg führe, sei dies
grotesk. "Aber wir müssen in Deutschland, als so genannter "Westen", doch auch
fragen, auch wenn es aus unserer Sicht zutiefst ungerecht ist: Warum verfängt
diese Kommunikation?", gab die Außenministerin zu bedenken. Man müsse sich mit
der Wahrnehmung in vielen Ländern auseinandersetzen, nach der es Europa bis
heute nur darum gehe, Abhängigkeit zu schaffen statt Mitsprache. Man müsse
Angebote zur Zusammenarbeit machen, von denen beide Seiten profitierten, sagte
Baerbock.

Baerbock pflegt wichtige europäische Partnerschaften in der Region

Die Ministerin hielt die Rede auf dem Gelände des neuen Goethe-Instituts in
Dakar. Bei dem Neubau wurde auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz Wert gelegt.
Schwerpunktthemen sind neben Sprachkursen die Dekolonialisierung, die
Entwicklung der Region sowie die Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Gesamtkosten
liegen bei knapp 4 Millionen Euro.

Baerbock setzt ihren Westafrika-Besuch vor dem Hintergrund der Krisen in der Sahel-Region an diesem Dienstag in der Elfenbeinküste fort. In Abidjan, dem
Regierungssitz der Elfenbeinküste, sind Beratungen mit Präsident Alassane
Ouattara sowie Außenminister Léon Kacou Adom geplant.

Baerbock bei Ausbildung im Anti-Terror-Kampf

Die Außenministerin will sich in einer Internationalen Akademie zur
Terrorismusbekämpfung etwa 35 Kilometer außerhalb von Abidjan über die
Ausbildung von Militärs und Sicherheitskräften informieren lassen. Dort soll ihr
unter anderem die simulierte Befreiung eines Dorfes im Sahel von Terroristen
vorgeführt werden.

Deutschland ist mit einem Beitrag in Höhe von 2,5 Millionen Euro an der
Finanzierung der Infrastruktur der Einrichtung beteiligt und hat etwa das Geld
für einen Schiffsanleger beigesteuert. In der Akademie werden Fachkräfte aus dem
Zivil-, Polizei- und Militärbereich schwerpunktmäßig in Antiterrortaktik und
Geiselbefreiung geschult. Auch die deutsche Spezialeinheit GSG9 der
Bundespolizei trainiert dort regelmäßig.

Sorge vor Übergreifen islamistischen Terrors steigt

Die am Golf von Guinea gelegene Elfenbeinküste ist mit rund 30 Millionen
Einwohnern das wirtschaftliche Schwergewicht des französischsprachigen
Westafrikas, vor allem als weltgrößter Kakao-Produzent. Das Land wird wie seine
Nachbarn Ghana, Benin und Togo vom Überschwappen islamistischen Terrorismus aus
Mali und Burkina Faso bedroht, wo sich die Terrorgruppen besonders in den
Grenzgebieten ausbreiten.

Während Frankreich seine Truppenzahl in dem Land wie auf anderen Basen der
Region verkleinern will, stärken die USA dort ihre militärische Präsenz, um den
Schutz der Küstenstaaten zu unterstützen. Nach dem Abzug aus dem Niger ist
Medienberichten zufolge auch eine neue US-Basis in der Elfenbeinküste im
Gespräch.

Politische Brüche in der Region

Baerbock besucht mit der Elfenbeinküste einen der wichtigsten Partner und
die größte Demokratie im französischsprachigen Westafrika. Das dürfte ein
Zeichen auch an die Putschisten-Regierungen in Mali, Burkina Faso und dem Niger
sein, die den Regionalblock Ecowas verlassen wollen und wirtschaftlich wie
sicherheitspolitisch die Spaltung der Region vorantreiben. Nutznießer ist
Russland, das sich ihnen als Antikolonialist und Militärpartner andient, während
frühere Anti-Terror-Partner und selbst UN-Truppen weichen müssen.

Sorge vor weiteren Militärputschen

Selbst in der weitgehend demokratischen Elfenbeinküste fragen sich viele,
wieso der 82-jährige Präsident Alassane Ouattara entgegen der Verfassung in
dritter Amtszeit regiert und mit einer vierten liebäugelt, ohne dass
internationale Kritik laut wird. Entlang der Küste wächst bei Beobachtern die
Sorge vor einem möglichen nächsten Militärputsch, nachdem binnen vier Jahren
gleich sechs französische Ex-Kolonien in West- und Zentralafrika Putsche erlebt
haben./bk/cpe/DP/zb

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