16.07.2024 06:30:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: USA drängen auf friedliche Lösung im Libanon-Konflikt

TEL AVIV/BEIRUT (dpa-AFX) - Während Israels Militär im Gazastreifen weiter
in heftige Kämpfe mit der islamistischen Hamas verwickelt ist, muss die Armee im
Norden erneuten Beschuss des Hamas-Verbündeten Hisbollah aus dem Libanon
abwehren. Es seien rund 20 Geschosse aus dem Nachbarland Richtung Israel
abgefeuert worden, teilte die Armee am späten Abend mit. Israels
Raketenabwehrsystem habe die meisten abgefangen. Verletzte gebe es nicht. Zuvor
hatte die israelische Armee ein Waffenlager der Miliz im Süden des Libanon
angegriffen.

Israelischen Medienberichten zufolge landeten einige Raketen in einer wegen
des Konflikts evakuierten Stadt im Norden Israels. Eine sei in einem
Einkaufszentrum eingeschlagen, berichtete die "Times of Israel". Die mit dem
Iran verbündete Hisbollah-Miliz habe die Verantwortung für den Abschuss von
"Dutzenden" Raketen übernommen und erklärt, dies sei eine Reaktion auf
israelische Angriffe im Südlibanon, berichtete die Zeitung weiter.

USA wollen diplomatische Lösung

US-Außenminister Antony Blinken rief zu einer diplomatischen Lösung des sich zuletzt verschärften Konflikts zwischen seinem Verbündeten Israel und der
Hisbollah-Miliz auf. Bei einem Treffen mit Israels nationalem Sicherheitsberater
Tzachi Hanegbi und dem israelischen Minister für strategische Angelegenheiten,
Ron Dermer, habe Blinken über die Wichtigkeit gesprochen, "eine weitere
Eskalation entlang der israelisch-libanesischen Grenze zu vermeiden", sagte der
Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, in Washington.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. In Orten beiderseits der Grenze haben
rund 150 000 Menschen die Kampfzone verlassen. Es besteht die Sorge vor der
Ausweitung zu einem regionalen Konflikt. Israel will, dass sich die Hisbollah
hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so
wie es eine UN-Resolution vorsieht. Die vom Iran unterstützte Miliz will mit dem
Beschuss aber erst aufhören, wenn es einen Waffenstillstand im Gazastreifen
gibt.

Blinken habe mit seinen israelischen Gesprächspartnern erörtert, wie wichtig es sei, "eine diplomatische Lösung zu finden, die es sowohl israelischen als
auch libanesischen Familien ermöglicht, in ihre Häuser zurückzukehren", sagte
Miller. Zugleich habe Blinken das unbedingte Engagement der Vereinigten Staaten
für die Sicherheit Israels unterstrichen. Zudem sei es um "praktische Lösungen"
für noch offene Fragen in den laufenden indirekten Verhandlungen über eine
Waffenruhe und Geiselfreilassung im Gaza-Krieg gegangen.

Warnung vor großflächigem Krieg

Auslöser des Gaza-Kriegs waren die Massaker und Geiselnahmen von
palästinensischen Terrororganisationen wie der Hamas am 7. Oktober 2023 in
Israel. Die libanesische Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität
mit der Hamas. Die "Libanon-Front" sei eine "Unterstützungsfront", wie
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah immer wieder betonte. Sie sei Teil des Kampfes,
der über das Schicksal Palästina, des Libanons und der Region entscheide.
Zuletzt war der gegenseitige Beschuss zwischen Israel und der Miliz heftiger
geworden.

Die israelische Zeitung "Haaretz" hatte kürzlich berichtet, die USA hätten
Israel gewarnt, dass auch ein begrenztes Bodenmanöver im Süden Libanons, um die
Hisbollah von der Grenze zurückzudrängen, einen großflächigen Krieg auslösen
könne. Die Hisbollah gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas im
Gazastreifen. Die Schiitenmiliz verfügt über ein Arsenal von allein rund 150 000
Raketen. Im Falle eines Krieges könnte sie täglich Tausende davon auf Israel
abfeuern. Ein Raketenhagel könnte Israels Raketenabwehr überfordern.

"Israel ist daran gewöhnt, kurze Kriege zu führen", zitierte die "Washington Post" jetzt einen Experten am israelischen Institut für nationale
Sicherheitsstudien. Aber nach mehr als neun Monaten seien Israels Truppen
erschöpft, die militärische Ausrüstung müsse gewartet werden, die Munition sei
verbraucht. Jede Familie in Israel sei vom Krieg betroffen. Auch im
wirtschaftlich schwer angeschlagenen Libanon haben viele Menschen das Gefühl,
nicht noch eine Krise ertragen zu können. Eine voll handlungsfähige Regierung
gibt es dort derzeit nicht.

Berichte über Tote in Syrien

Ohne einen formellen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas gilt es
jedoch als unwahrscheinlich, dass die Hisbollah vollständig aufgibt. Die
indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln,
sollen in dieser Woche in Doha weitergehen. Dabei geht es um den Austausch der
verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in
israelischen Gefängnissen und um eine Waffenruhe. Israel lehnt bislang die
Forderung der Hamas nach einer dauerhaften Waffenruhe im Gaza-Krieg ab.

Unterdessen sind bei einem mutmaßlich israelischen Drohnenangriff nahe der
syrisch-libanesischen Grenze nach syrischen Angaben mindestens zwei Menschen
getötet worden. Bei einem der Opfer handele es sich laut der Syrischen
Beobachtungsstelle für Menschenrechte sowie syrisch-libanesischen
Sicherheitsquellen um einen Geschäftsmann mit Verbindungen zur Hisbollah-Miliz.
Aus Israel gab es dafür keine Bestätigung.

Erst vor wenigen Tagen war bei einem mutmaßlich israelischen Drohnenangriff
in demselben Gebiet ein ehemaliger Leibwächter des Hisbollah-Chefs Hassan
Nasrallah getötet worden. Israel will mit solchen Angriffen in Syrien
verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die
Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Der Iran ist einer
der wichtigsten Verbündeten Syriens. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben die
israelischen Angriffe, die von Israel meist nicht offiziell bestätigt werden,
zugenommen./ln/DP/zb

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