19.06.2024 08:30:02 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Sechs Probleme, die den Wirtschaftsminister in China erwarten

BERLIN/SEOUL/PEKING (dpa-AFX) - Robert Habeck reist nach China, aber nicht
direkt: Erst einmal macht der grüne Vizekanzler und Wirtschaftsminister
Zwischenstopp in Südkorea. Ein wichtiger Handelspartner, einer der
Weltmarkt-Führer bei Hochtechnologie und dazu noch eine befreundete Demokratie.
In Seoul kann Habeck noch einmal durchschnaufen, bevor es nach China weitergeht.
Ein Überblick über die Knackpunkte seiner Reise:

Der Zoll-Eklat

Die EU-Kommission hat vor Kurzem hohe Strafzölle für den Import von
chinesischen Elektrofahrzeugen angedroht. Sie sollen zum 4. Juli eingeführt
werden, wenn Peking bis dahin keine Alternativlösung zum Ausgleich von
Wettbewerbsverzerrungen anbietet. Die Brüsseler Behörde wirft Peking unfaire
Subventionierung vor, nach ihren Angaben sind chinesische Elektroautos
normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle.
China revanchierte sich mit der Ankündigung einer Antidumping-Untersuchung gegen
importierte Produkte aus der Europäischen Union, bei der es um Schweinefleisch
und Nebenprodukte geht.

Habeck verhandle in dieser Sache nicht für die EU, betont sein Ministerium.
Ein wichtiges Thema wird der Handelskonflikt aber trotzdem werden. Der Minister
trifft vor Ort auch Vertreter anderer EU-Staaten, legt also auf ein
geschlossenes Auftreten wert. Allerdings sieht gerade Deutschland die drohenden
Zölle kritisch. Schließlich ist die deutsche Wirtschaft besonders auf Exporte
angewiesen. Und auch um die Ziele zum Ausbau der Elektromobilität zu erreichen,
sind die günstigeren chinesischen Elektroautos wichtig.

Wie viel chinesische Technik braucht der deutsche Mobilfunk-Ausbau?

Unklar ist, in welchem Umfang Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei und ZTE Teil des künftigen deutschen 5G-Mobilfunknetzes sein sollen. Die
Bundesregierung hatte monatelang um diese Frage gerungen, insbesondere das
SPD-geführte Innenministerium und die Grünen haben Sicherheitsbedenken geäußert.
Inzwischen soll es ein grundsätzliches Einvernehmen geben über den weiteren
Kurs, Details sind aber nicht bekannt.

Die ewige Frage: China und die Menschenrechte

In der Menschenrechtsfrage will sich Peking nicht rein reden lassen. Was in
Xinjiang, Tibet und Hongkong passiere, sei Chinas innere Angelegenheit und eine
Einmischung von Außen werde nicht geduldet, sagte Außenamtssprecher Lin Jian
noch am Dienstag. In der Volksrepublik werden immer wieder schwere
Menschenrechtsverletzungen kritisiert, zuletzt vor allem in Xinjiang im
äußersten Westen, wo laut Berichten Menschen der uigurischen Minderheit in
Lagern untergebracht und zur Arbeit gezwungen wurden.

Volkswagen und sein chinesischer Partner Saic gerieten wegen
Vorwürfen der Zwangsarbeit in einem dortigen Werk in die Schlagzeilen. Eine
Untersuchung konnte dies allerdings nicht belegen. Der Chemie-Riese BASF
hat sich nach ähnlichen Vorwürfen in einem Werk in Xinjiang in
diesem Jahr dort zurückgezogen.

Aktivisten prangern zudem immer wieder an, dass in Tibet Menschen an der
Ausübung ihrer Religion und Kultur etwa durch ein Verbot, Tibetisch zu
unterrichten, gehindert würden. In der ehemaligen britischen Kronkolonie
Hongkong ließ Peking dieses Jahr eine strengere Erweiterung des
Sicherheitsgesetzes einführen. Aus Sicht von Kritikern beschneidet die neue Norm
die Redefreiheit und die schweren Strafen sollen Demokratieaktivisten in Schach
halten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war bei ihrer China-Reise im
vergangenen Jahr mit klaren Worten zum Thema angeeckt. Habeck als
Wirtschaftsminister könnte auf deutsche und europäische Lieferkettengesetze
verweisen, wonach Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie
von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.

Chinas Machtstreben in der Region

Westliche Gäste müssen sich bei ihren Besuchen in China meist auch zur
sogenannten Taiwan-Frage verhalten. Peking macht kein Geheimnis daraus, das
demokratisch regierte Land mit China vereinen zu wollen - notfalls auch durch
einen Militäreinsatz. Die Volksbefreiungsarmee demonstriert in der Meerenge
zwischen China und Taiwan fast täglich mit Kampfjets und Kriegsschiffen ihre
Macht. Taiwan wird von nur wenigen Ländern offiziell anerkannt. Deutschland
gehört nicht dazu und unterhält auf Grundlage der "Ein-China-Politik" nur
diplomatischen Austausch mit Peking.

Ein weiterer Brandherd ist das Südchinesische Meer, in dem sich China mit
den Philippinen um rohstoffreiche Gebiete streitet. Nahe einiger Riffe, die
Manila zu seiner exklusiven Wirtschaftszone zählt, kommt es immer wieder zu
Konfrontationen der Küstenwache und Marine beider Seiten. Der Internationale
Schiedsgerichtshof hatte 2016 Chinas Gebietsansprüche in der umstrittenen
Regionen zurückgewiesen, doch China ignoriert das Urteil. Sowohl die Philippinen
als auch Taiwan sind mit den USA verbündet. Washington sicherte beiden
Unterstützung zu, was im Konfliktfall mit China verheerende Auswirkungen auch
auf das wichtige Handels- und Wirtschaftsgebiet haben dürfte.

Chinas gute Beziehungen zu Russland

Dass Russlands Wirtschaft nicht stärker unter den westlichen Sanktionen
wegen des Ukraine-Kriegs leidet, hat viel mit China zu tun. Studien zufolge
gehört China zu den Ländern, die Russland bei der Umgehung von Strafmaßnahmen
helfen. Der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz am vergangenen Wochenende
blieb China fern.

Der mehrheitlich staatliche russische Energiekonzern Gazprom
ist zudem inzwischen Chinas wichtigster Lieferant von Pipelinegas. Präsident
Wladimir Putin wirbt zudem um eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Unter
dem Strich ist Russland in dieser Beziehung aber der schwächere Partner: Moskau
braucht Peking mehr als umgekehrt - und China weiß das.

Jedoch ist Russland ein wichtiger Helfer für China, um eine "multipolare
Welt" aufzubauen. "Länder sollten nicht nach ihrer Stärke kategorisiert werden.
Jene mit der größeren Faust sollten nicht das letzte Wort haben", hatte Chinas
Außenminister Wang Yi dazu erklärt. China will damit eine internationale Ordnung
erwirken, in der etwa Länder wie die USA weniger mächtig sind.

Rauchende Schlote und Solar-Boom - China und das Klima

China ist mit Abstand das Land, das weltweit die meisten Treibhausgase
ausstößt. Bei Weltklimakonferenzen gehört die Pekinger Regierung in der Regel zu
den Bremsern, wenn es um schärfere Klimaschutzziele geht. Zugleich wollen die
deutsche und die chinesische Regierung bei dem Thema und der Energiewende enger
zusammenarbeiten, eine Absichtserklärung zur Einrichtung eines entsprechenden
Dialogformats haben sie vor einem Jahr unterzeichnet.

Während China immer noch einen Großteil seiner Energie aus Kohle gewinnt,
treibt Peking den Ausbau erneuerbarer Energien mit großen Schritten voran. 2023
errichtete China laut dem Energieministerium 216 Gigawatt an Solarkapazität neu
- hauptsächlich über Solarkraftwerke in entlegenen Gegenden. Deutschland baute
im selben Jahr laut Bundesnetzagentur 14,1 Gigawatt zu. Manche Beobachter
schätzen, China könnte die Spitze seiner jährlichen Kohlenstoffdioxidemissionen
bereits erreicht haben. Eigentlich hatte sich Peking das für 2030 vorgenommen.
Bis 2060 will die Volksrepublik klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase
ausstoßen als auch wieder gebunden werden können.

Warum eigentlich Südkorea?

Es dürfte nicht von ungefähr kommen, dass Habeck nicht nur nach China reist, sondern auch nach Südkorea - einer Demokratie, mit der Berlin mehr verbindet als
mit Peking. Das Auswärtige Amt beschreibt die Beziehungen als "eng und
vertrauensvoll" während bei China von "grundsätzlichen Meinungsunterschieden"
die Rede ist.

An den Finanzsanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs beteiligt
sich Südkorea zwar und leistet auch humanitäre Hilfe für die Ukraine. Trotz
Bitten Kiews liefert das ostasiatische Land aber keine Kriegswaffen.

Südkorea ist Deutschlands zweitwichtigster Exportmarkt in Asien. Das Land
steht nach den Worten des Korea-Experten Eric Ballbach von der Stiftung
Wissenschaft und Politik vor ähnlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen.
Wie Deutschland eine Exportnation, sei es Südkorea gelungen, seine Abhängigkeit
von China zu vermindern. "Gleichzeitig sucht auch Südkorea nach neuen Partnern,
um seine Abhängigkeit von China auch weiter abzumildern."

Ballbach empfiehlt: "Minister Habeck sollte mit offenen Augen durch Südkorea gehen, denn man kann sicherlich sehr, sehr viel von diesem Land, insbesondere im
Hinblick auf die Digitalisierung beispielsweise, lernen."/hrz/DP/zb

--- Von Martina Herzog, Johannes Neudecker und Dirk Godder, dpa ---
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