23.05.2024 16:07:49 - dpa-AFX: ROUNDUP: Protest bei Thyssenkrupp - López sagt 'gelebte Sozialpartnerschaft'

ESSEN (dpa-AFX) - Trillerpfeifen, Plakate und viele Fahnen: Mehrere Tausend
Beschäftigte des Industriekonzerns Thyssenkrupp haben am
Donnerstag in Essen für mehr Mitsprache und Transparenz bei wichtigen
Unternehmensentscheidungen demonstriert. "Ein Umbau der Thyssenkrupp AG gegen
die Menschen wird nicht gelingen", sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende
Tekin Nasikkol. Es müsse Schluss sein "mit dem Kurs gegen die Mitbestimmung".
Zur Teilnahme aufgerufen hatte die IG Metall. Bei der Kundgebung sprach auch
Konzernchef Miguel López. Die Gewerkschaft schätzte die Anzahl der Teilnehmenden
auf 5000, die Polizei auf 4500.

Arbeitnehmervertreter werfen dem Vorstand um den Vorsitzenden López unter
anderem vor, sie in der Vergangenheit nicht genügend und frühzeitig in wichtige
Entscheidungen einbezogen zu haben. Anlass für die Protestkundgebung direkt vor
der Konzernzentrale war eine Sitzung des Aufsichtsrats der Konzernholding am
selben Tag.

Im Brennpunkt steht derzeit vor allem die Thyssenkrupp-Stahlsparte, die mit
der Konjunkturschwäche und Billigimporten zu kämpfen hat. Am Hauptstandort in
Duisburg ist ein deutlicher Abbau der Stahl-Erzeugungskapazitäten geplant, der
mit einem Stellenabbau verbunden sein soll. Einzelheiten stehen noch nicht fest.
Gleichzeitig läuft der kostspielige Einstieg in die klimafreundlichere
Grünstahl-Produktion.

Außerdem geht es um einen 20-Prozent-Einstieg der EPCG-Holding des
tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky in die Stahlsparte. Bei der geplanten
strategischen Partnerschaft soll es vor allem um Energielieferungen gehen. Der
Aufsichtsrat sollte am Donnerstag über den Einstieg abstimmen. Der EPCG-Anteil
soll in Zukunft auf 50 Prozent gesteigert werden und die Stahlsparte dabei
verselbstständigt werden.

Thyssenkrupp hat weltweit rund 100 000 Beschäftigte, davon allein rund 27
000 in der Stahlsparte. Davon wiederum arbeiten rund 13 000 allein in Duisburg.

Betriebsratschef: "Billig verkaufen lassen wir uns nicht"

"Gegen Milliardäre haben wir nichts, solange sie Geld mitbringen und in den
Stahl investieren", sagte Nasikkol. Allerdings wüssten die Beschäftigten nicht,
was Herr Kretinsky wolle. "Will er mit uns Geld verdienen, oder will er an uns
Geld verdienen?" Man sei offen für gute Lösungen. "Doch billig verkaufen lassen
wir uns nicht."

Nasikkol forderte beim angekündigten Umbau der Stahlsparte erneut die
Einhaltung von Tarifverträgen, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen,
Standortgarantien für alle Standorte sowie weitere Investitionen in eine
klimafreundlichere Stahlerzeugung. Fast alle Standorte der Stahlsparte liegen in
NRW.

Thyssenkrupp-Chef López verspricht "gelebte Sozialpartnerschaft"

Der Vorstandsvorsitzende Miguel López sagte: "Wir wollen, dass auch in
Zukunft in Duisburg Qualitätsstahl gekocht wird." Thyssenkrupp brauche aber
einen Stahlbereich, der sein Geschäft aus eigener Kraft stemme und der auch
selbst in die grüne Transformation investieren könne. Weil der Energieanteil bei
der klimafreundlicheren Stahlherstellung künftig stark steigen werde, brauche
das Stahlgeschäft starke Energiepartner. Die 20 Prozent-Beteiligung von EPCG am
Stahlgeschäft sei "ein wichtiger Schritt, damit unser Stahlgeschäft wieder
leistungsstark wird".

Um die Stahlproduktion in Duisburg auf lange Sicht zu sichern, müsse man
Steel Europe fit für die Zukunft machen. "Denn nur ein erfolgreiches Unternehmen
kann langfristig sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze bieten." Ohne
Einschnitte werde es nicht gehen. "Wenn wir aber jetzt nichts tun, riskieren wir
weitaus mehr."

"Eines kann ich Ihnen dabei versichern: Bei allem, was wir tun, bleibt es
bei der gelebten Sozialpartnerschaft", sagte López weiter. "Wir wollen in
konstruktiver Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche
Lösungen schaffen." Es solle auch weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen
geben. "Aber wir müssen handeln, damit Stahl aus Duisburg auch weiterhin eine
Perspektive hat." Während der Rede von López gab es zahlreiche Zwischenrufe.

Minister Laumann fordert Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) appellierte an das Management von Thyssenkrupp, beim geplanten Umbau der Stahlsparte mit der
Arbeitnehmerseite zusammenzuarbeiten. Der Weg zum grünen Stahl müsse
partnerschaftlich entwickelt werden, sagte Laumann. "Und wenn man etwas
partnerschaftlich entwickeln will, dann ist man gut beraten, am Anfang ein paar
Sätze auf einen Zettel zu schreiben, die gelten. Und da muss natürlich als
Erstes stehen: Keine betriebsbedingten Kündigungen." Draufstehen müsse auch,
dass Tarifverträge beachtet werden müssen. Auch müsse es einen Plan geben, "wie
man mit welchen Maßnahmen Stahlstandort bleiben will und wie man es umsetzen
kann und finanzieren kann".

Natürlich sei die soziale Partnerschaft nicht immer eine
Schönwetter-Veranstaltung, sagte Laumann. "Aber wenn man in einer schwierigen
Phase ist, dann ist die Transparenz die Voraussetzung für Vertrauen. Ohne
Transparenz kann niemals Vertrauen entstehen."/tob/DP/ngu
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