21.05.2024 15:17:58 - dpa-AFX: ROUNDUP: Spatenstich für Stromautobahn durch Nordsee - Habeck: 'Großes Projekt'

WILHELMSHAVEN (dpa-AFX) - Nach jahrelanger Planung hat in Wilhelmshaven die
Bauphase für eine erste, mehr als 700 Kilometer lange Stromleitung durch die
Nordsee zwischen Großbritannien und Deutschland begonnen. Das Stromkabel werde
die Energienetze der beiden Länder verbinden und für Flexibilität beim Transport
von erneuerbaren Energien sorgen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
(Grüne) bei einem symbolischen Spatenstich am Dienstag. "Je vernetzter Europa
ist, je größer das Netzwerk ist, umso effizienter kann das System gefahren und
gesteuert werden und das große Ziel der Dekarbonisierung, also einer
klimaneutralen Stromversorgung, umgesetzt werden."

Habeck sprach von einem "wirklich großen Projekt", dass auch
Schwerpunktregionen der Windstromerzeugung der beiden Länder miteinander
vernetze. Vor allem überschüssiger Windstrom, der in der deutschen Nordsee
produziert wird, bislang aber wegen Engpässen im Stromnetz an Land nicht
weitertransportiert werden kann, könnte über das Seekabel nach Großbritannien
exportiert werden. Das Vereinigte Königreich importiert zurzeit mehr Strom als
es exportiert.

Der Vizekanzler nahm zusammen mit dem britischen Staatsminister für
Handelspolitik, Gregory Hands, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies
(SPD) und der Vorsitzenden der Projektgesellschaft Neuconnect, Julia Prescot,
den Spatenstich vor. Ende 2016 hatten die Planungen für das Projekt begonnen. In
Großbritannien liefen die Bauarbeiten bereits an. Das Kabel, das weitgehend
durch die Nordsee verläuft, soll 2028 in Betrieb gehen.

Die Neuconnect-Vorsitzende Julia Prescot sagte, für die Umsetzung der
Energiewende brauche man privatwirtschaftliche Investitionen - ein Beispiel
dafür sei die Stromautobahn. "Wir sind das größte englisch-deutsche
Investitionsprojekt", sagte sie. Die Investitionskosten von knapp drei
Milliarden Euro werden von einem internationalen Konsortium getragen. Beteiligt
sind etwa der französische Investor Meridiam, die Allianz Gruppe und die
japanischen Energieversorger Kansai Electric Power und Tepco sowie ein
Konsortium von mehr als 20 Banken. Staatliche Subventionen fließen nach Angaben
der Projektgesellschaft nicht.

Die Leitung mit dem Namen Neuconnect soll bis zu 1,4 Gigawatt Strom in beide Richtungen transportieren können - das entspricht etwa der Leistung eines
Atomkraftwerks und ist laut der Projektgesellschaft genug Energie für rund 1,5
Millionen Haushalte. Das 725 Kilometer lange Kabel soll das deutsche
Übertragungsnetz von Wilhelmshaven mit dem britischen Netz auf der Isle of Grain
in der englischen Grafschaft Kent an der Themse-Mündung verbinden.

Solche Stromautobahnen zwischen Ländern, auch Interkonnektoren genannt,
können nach Angaben der Bundesnetzagentur die Energiesicherheit verbessern und
den Wettbewerb ankurbeln, was zu günstigeren Strompreisen führen kann. Denn
direkte Verbindungen zwischen Strommärkten vergrößern laut der Behörde die
Absatzmöglichkeiten. Die Länder könnten so wechselseitig von den jeweils
günstigsten Erzeugungsbedingungen profitieren. Deutschland verfügt zurzeit über
54 solcher Interkonnektoren, 16 weitere werden geplant.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies sagte, die Energiewende lege auch
einen Fokus auf den Nordwesten Niedersachsens und die Region um Wilhelmshaven.
"Ohne Niedersachsen wäre Energiewende und wäre das Erreichen der Klimaziele in
Deutschland nicht möglich." Wichtig sei, dass diese Region auch wirtschaftlich
profitiere. "Wir wollen auch, dass die Standorte, die zukünftig Energiestandorte
sind, weil große Mengen erneuerbaren Energien zur Verfügung sind, auch Standorte
für weitere wirtschaftliche Entwicklung sind."

Von einem "symbolträchtigen Moment für beide Länder" sprach der britische
Staatsminister für Handelspolitik Gregory Hands. Die neue Stromleitung sei ein
"Leuchtturmprojekt", das verdeutliche, wie eng Deutschland und das Vereinigte
Königreich zusammenarbeiteten, um die beiden Volkswirtschaften klimaneutral zu
machen. "WIr wollen die Nordsee zur Europas Drehscheibe für grüne Energie machen
und die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Großbritannien wird entscheidend
sein, um dies zu erreichen."

Laut Experten wächst mit der Stromverbindung nach Deutschland die Bedeutung
Großbritanniens als Strommarkt weiter. "Die britische Insel ist schon jetzt der
zweitgrößte Offshore-Windmarkt der Welt nach China", sagte Marc Lehnfeld von der
bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) der Deutschen
Presse-Agentur in London. Bisher sei Großbritannien zwar noch
Nettostromimporteur. Allerdings wolle die britische Regierung die Kapazität bei
Offshore-Wind bis 2030 von 15 auf 50 Gigawatt (GW) deutlich erhöhen. Damit
treibe sie auch das Exportpotenzial an, sagte Lehnfeld.

Auch deutsche Unternehmen mischen auf dem britischen
Offshore-Windenergiemarkt mit. "RWE gehört mit derzeit zehn
laufenden und neun geplanten Offshore-Wind-Projekten zu den größten Entwicklern
im Land", sagte Lehnfeld. "Auch EnBW entwickelt derzeit drei
Offshore-Windfarmen an der britischen Küste."/len/DP/tih
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
RWE AG INH O.N. 703712 Frankfurt 35,630 03.06.24 18:12:46 +0,700 +2,00% 35,490 35,570 35,250 34,930
ENBW ENERGIE BAD.-WUE. ON 522000 Frankfurt 72,000 03.06.24 14:10:49 +2,800 +4,05% 70,000 71,600 70,000 69,200

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