21.06.2024 17:58:41 - dpa-AFX: ROUNDUP: Habeck startet China-Besuch mit klaren Ansagen

PEKING (dpa-AFX) - Vizekanzler Robert Habeck startet seine erste China-Reise
mit deutlichen Forderungen an den Gastgeber. Der Grünen-Politiker kritisierte am
Freitag in Peking die guten Wirtschaftsbeziehungen Chinas mit Russland trotz
westlicher Sanktionen. Auch das schwierige Thema Menschenrechte wolle er
ansprechen. Doch dabei blieb es nicht: Der deutschen Politik gab Habeck aus
Fernost Hausaufgaben auf. Die im vergangenen Jahr nach langem Ringen von der
Ampel-Koalition verabschiedete China-Strategie müsse überarbeitet werden, ließ
er wissen - wenn auch nicht sofort.

Auch das Konfliktthema Subventionen spricht der Bundeswirtschaftsminister
wenige Stunden nach seiner Landung mit dem Regierungsflieger an. Durch diese
Unterstützung des chinesischen Staates würden Güter unter Marktwert in
Deutschland und Europa verkauft. Dort würden diese die Märkte "unterminieren
oder gegebenenfalls kaputtmachen".

Habeck: China schadet mit Haltung zu Russland eigener Wirtschaft

Vor kurzem hat die EU-Kommission hohe Strafzölle gegen chinesische
Elektroautos angedroht. Die Brüsseler Behörde wirft der chinesischen Regierung
unfaire Subventionen vor. China revanchierte sich mit der Ankündigung einer
Antidumping-Untersuchung gegen importierte Produkte aus der Europäischen Union,
bei der es um Schweinefleisch und Nebenprodukte geht. Bis Anfang Juli versuchen
beide Seiten, im Ringen um drohende Autozölle noch eine Lösung zu finden.

Auch Chinas Solidarität mit Russland kritisierte Habeck. "Mit Russland, da
wachsen die Handelsbeziehungen, und die Chinesen kaufen die russischen Rohstoffe
günstig ein", sagte Habeck. "Das ist ohne Frage so, und es ist aus meiner Sicht
falsch und wird auch so angesprochen werden, so wie es alle europäischen und
amerikanischen Minister und Außenminister und Regierungschefs immer tun."

China wisse, dass diese Haltung auch seiner Wirtschaft schade, sagte Habeck. "China verliert auch etwas, nämlich zunehmend den selbstverständlichen Zugang
zum europäischen Markt." Er denke, dass dies China klar sein werde. "Sonst werde
ich das morgen noch einmal ansprechen."

Habeck: Niemand in Deutschland will durch Zwangsarbeit erzeugte Produkte
kaufen

Der Vizekanzler will am Samstag in der chinesischen Hauptstadt Gespräche mit dem Vorsitzenden der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC),
Zheng Shanjie, und dem Handelsminister Wang Wentao sowie Industrieminister Jin
Zhuanglong führen. Ein mögliches Treffen mit Ministerpräsident Li Qiang war
geplatzt - warum, wisse er nicht, sagte Habeck.

Menschenrechte seien immer ein Thema und für Deutschland, Europa und ihn
persönlich zentral, sagte Habeck. In der Volksrepublik werden immer wieder
schwere Menschenrechtsverletzungen kritisiert, zuletzt vor allem in Xinjiang im
äußersten Westen, wo laut Berichten Menschen der uigurischen Minderheit in
Lagern untergebracht und zur Arbeit gezwungen wurden.

"Niemand in Europa, niemand in Deutschland will Produkte kaufen, die durch
Zwangsarbeit produziert wurden, die unter Missachtung von Menschenrechten
produziert wurden, wo Kinder elend arbeiten mussten, unter elenden Bedingungen
arbeiten mussten, wo Landraub Grundlage ist von Produktion", sagte Habeck. Das
europäische Lieferkettengesetz werde künftig dafür sorgen, dass Unternehmen
entsprechende Sorgfaltspflichten einhalten müssten.

Habeck fordert Überarbeitung der China-Strategie

Die erst im letzten Jahr verabschiedete China-Strategie der Bundesregierung
sollte nach Habecks Ansicht überarbeitet werden. "Früher oder später braucht die
China-Strategie ein Update", sagte der Grünen-Politiker. Zwei Dinge fehlten. Die
derzeitige Strategie beginne "beim Status quo, aber nicht beim Horizont". Es
gehe um die Frage, wie die Beziehung zu China in dreißig Jahren aussehen werde.
"Ich sage das, weil ich sicher bin, dass China eine Strategie hat, wohin sie
wollen, und ich glaube auch die USA." Außerdem handle es sich um eine Strategie
allein der Bundesregierung, es brauche aber einen europäischen Ansatz.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Sommer erstmals eine umfassende
China-Strategie beschlossen. Darin wird das von der kommunistischen Führung mit
harter Hand regierte Land als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale
definiert. Kern der Strategie ist es, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China
zu verringern, um ein böses Erwachen wie nach dem russischen Angriff auf die
Ukraine bei der Kappung der Gaslieferungen zu vermeiden.

EU soll nach Habecks Meinung zu gemeinsamer Linie finden

Bei einer Nachfrage bezog sich Habeck vor Journalisten später nur auf den
zweiten Teil seiner Äußerungen. "Es ist eine deutsche China Strategie und die
Ansätze in Europa sind durchaus unterschiedlich." Bei einem Treffen mit den
Botschaftern der EU-Staaten in Peking habe er gesagt, diese Ansätze müssten in
einer veränderten Welt zusammengefasst werden, sagte Habeck. "Das ist jetzt
nicht kurzfristig zu machen, sondern eher eine langfristige Aufgabe für Europa."

Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte lange - und sehr
kontrovers - um die Strategie gerungen. Die Grünen um Außenministerin Annalena
Baerbock und Habeck treten für einen deutlich härteren Kurs ein als Kanzler Olaf
Scholz (SPD)./hrz/DP/ngu

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