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27.05.2024 15:12:39 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2/Spionage für Russland: Dreieinhalb Jahre Haft für Offizier

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Ein Bundeswehroffizier ist in Düsseldorf wegen
Spionage für Russland zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das
Düsseldorfer Oberlandesgericht sprach den 54-Jährigen am Montag wegen
geheimdienstlicher Agententätigkeit schuldig.

Der Hauptmann hatte ein weitgehendes Geständnis abgelegt. Laut
Bundesanwaltschaft hatte sich der Berufssoldat Russland "fast penetrant
angedient", um den russischen Streitkräften einen Vorteil zu verschaffen. Etwa
zeitgleich war er in die AfD eingetreten.

"Was, in Gottes Namen, hat den Angeklagten veranlasst zu tun, was er getan
hat?", fragte der Vorsitzende Richter Lars Bachler bei der Urteilsbegründung.
Der 54-Jährige habe dies in seinem Geständnis auf seine psychischen und
körperlichen Beschwerden zurückgeführt. "Aber der Senat ist zu der Überzeugung
gelangt, dass auch seine politischen Ansichten für die Tat bedeutsam waren."

Schon kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe er sich an einen AfD-Landtagsabgeordneten und an einen Kreisvorsitzenden der Partei Die Linke
gewandt. Er sei dagegen gewesen, der Ukraine zu helfen. In zeitlichen
Zusammenhang mit seinen Spionageaktivitäten war er dann in die AfD eingetreten.
Zudem habe er Kontakt zu einem prorussischen Social-Media-Aktivisten aufgenommen
und sei im August 2023 dessen Telegram-Kanal beigetreten.

Dass er seine gesundheitlichen Beschwerden seiner Corona-Impfung zuordnet,
deute ebenfalls in eine "gewisse Richtung", so das Gericht. Am 3. Mai
vergangenen Jahres habe der Offizier in seinem Büro 123 Dokumente gesichtet und
auf eine CD gebrannt. Dabei habe es sich um 1400 Seiten Material gehandelt, das
als Verschlusssache eingestuft war.

Ein paar Auszüge habe er auf Papier ausgedruckt und, obwohl er dies als
einziges bestritten hatte, nach Überzeugung des Gerichts auch die CD in einem
Umschlag einen Tag später in den Briefkasten des russischen Generalkonsulats in
Bonn eingeworfen. Dabei war er fotografiert worden.

Den Beteuerungen, dass die CD nicht in dem Umschlag war, glaubte das Gericht nicht: "Es ist wenig plausibel, dass jemand einen Verrat begeht, die Unterlagen
dann aber einfach in seinem Büro liegen lässt." Zudem sei die CD bei der
Durchsuchung nicht gefunden worden.

Der Hauptmann war bei einem Bundesamt der Bundeswehr in Koblenz beschäftigt, das für Ausrüstung und Informationstechnik zuständig war. Die Dokumente hätten
Details aus Beschaffungsprojekten der Bundeswehr für die elektronische
Aufklärung und Kampfführung enthalten. In den Händen einer fremden Macht könne
dies Nachteile für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands haben.

Er habe die Informationen in einem Begleitschreiben selbst beworben mit den
Worten, diese könnten "ein beträchtliches Plus für die russischen Streitkräfte
und die Russische Föderation" bedeuten. Obwohl sich die russische Seite trotz
beigelegtem Klarnamen und Telefonnummer nicht gemeldet habe, habe er nicht
aufgegeben, sondern auch noch die russische Botschaft in Berlin angeschrieben.
Als sein Vorgesetzter von den Vorgängen erfahren habe, habe dieser mit den
Worten reagiert: "Der Idiot", berichtete Richter Bachler.

Strafmildernd wertete das Gericht, dass der Angeklagte durch das Urteil
seine Stellung bei der Bundeswehr und seine beamtenrechtliche Versorgung
verlieren werde. Zu seinen Lasten wertete es, dass der Berufssoldat für ein sehr
aggressives, kriegerisches Land tätig geworden sei, eigeninitiativ bedeutsame
Dokumente verraten und dabei eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt
habe. Dies stehe auch im Gegensatz zu seiner Burn-out-Diagnose, der zufolge er
eher in Passivität hätte verfallen müssen.

"Die übermittelten Unterlagen dienten zum Anfüttern. Sie sollten Appetit auf mehr machen", hatte der Vertreter der Bundesanwaltschaft kritisiert. "Das alles
für einen Staat, der sich als rücksichtsloser Aggressor erwiesen hat."

Mit der Strafhöhe entsprach das Gericht der Forderung der
Bundesanwaltschaft. Hätte der Offizier nicht nur Dienst-, sondern
Staatsgeheimnisse verraten, hätte ihm sogar lebenslange Haft gedroht, hatte
diese ausgeführt.

Im Gegensatz zur Anklage sah das Gericht aber keinen schweren Fall der
Agententätigkeit erfüllt. Zwei Gutachten waren zu unterschiedlichen Ergebnissen
gekommen, was die Brisanz des verratenen Materials angeht.

Verteidiger Marvin Schroth hatte gesagt, sein Mandant habe in vier Tagen
"alles in Schutt und Asche gelegt, was er zuvor in Jahren als pflichtbewusster
Berufssoldat aufgebaut" habe: "Vier Tage des Verrats, an denen er rote Linien
überschritten hat. Vier Tage des völligen Versagens."

In einer fordernden beruflichen Zeit habe sich sein Medienkonsum allmählich
auf Telegram und Tiktok verlagert. Dort sei er Fake News und aus dem
Zusammenhang gerissenen Zitaten aufgesessen. Der Realität sei er zeitweise
deutlich entrückt gewesen. Inzwischen sei er aus der AfD wieder ausgetreten.

Der Hauptmann hatte behauptet, die Angst vor einer nuklearen Eskalation des
Ukraine-Kriegs habe ihn getrieben. "Es ist der größte Bockmist, den ich in
meinem Leben gebaut habe", hatte er in seinem Schlusswort gesagt. Eine
Depression, verursacht durch chronische Überarbeitung, habe sein rationales
Denken beeinträchtigt.

Beamte des Bundeskriminalamtes hatten den Mann am 9. August in Koblenz
festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Das Urteil ist bisher nicht
rechtskräftig und könnte noch beim Bundesgerichtshof angefochten werden.

Russische Spione im Fokus der deutschen Justiz

Erst im April wurden in Bayern zwei Deutsch-Russen festgenommen, weil sie
der Bundesanwaltschaft zufolge für Moskau Ziele für mögliche Sabotageakte in
Deutschland ausgekundschaftet haben sollen. Einem der beiden wird unter anderem
die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur
Brandstiftung vorgeworfen.

Vor dem Berliner Kammergericht wiederum müssen sich derzeit ein Mitarbeiter
des Bundesnachrichtendienstes (BND) und ein Geschäftsmann wegen Landesverrats in
besonders schwerem Fall verantworten. Sie sollen geheime Dokumente und
Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen
Inlandsgeheimdienst FSB gegeben und dafür zusammen 850 000 Euro erhalten haben.
Der BND-Mitarbeiter bestreitet das.

Im November 2022 erhielt ein Ex-Reserveoffizier der Bundeswehr vom
Düsseldorfer Oberlandesgericht ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung, weil
er Informationen über das Reservistenwesen der Bundeswehr an den russischen
Militärgeheimdienst GRU geliefert hatte. Im April 2022 verurteilte das OLG
München einen russischen Doktoranden der Universität Augsburg zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Er hatte öffentlich zugängliche
Informationen zum europäischen Raketensystem Ariane an den russischen
Geheimdienstes SWR gegeben./fc/DP/stw

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