16.05.2024 06:29:48 - dpa-AFX: WDH/POLITIK: Ausnahmezustand in Neukaledonien - weitere Nacht mit Krawallen

(Fehlender Buchstabe im 2. Absatz ergänzt: Dies statt Die)

NOUMÉA (dpa-AFX) - Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es die
dritte Nacht in Folge zu Krawallen von Separatisten gekommen. Offiziellen
Angaben zufolge sind bei den schweren Unruhen bislang vier Menschen ums Leben
gekommen, darunter ein Polizist. Hunderte weitere Menschen wurden verletzt.
Örtliche Medien veröffentlichten am Donnerstag Fotos und Videos von geplünderten
und völlig zerstörten Supermärkten und Tankstellen. Seit Anfang der Woche setzen
Unabhängigkeitsbefürworter immer wieder Geschäfte und Autos in Brand.

Paris hatte als Reaktion auf die Gewalt in der Inselgruppe im Südpazifik am
Mittwoch für zunächst zwölf Tage den Ausnahmezustand verhängt. Dies ermöglicht
es den Behörden unter anderem, Demonstrationsverbote zu erlassen, öffentliche
Orte und Webseiten zu sperren und der Polizei und Justiz erweiterte Befugnisse
einzuräumen.

Bei den Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern geht es um eine geplante
Verfassungsreform der Regierung in Paris, die Tausenden französisch-stämmigen
Bürgern, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen in Neukaledonien leben,
das Wahlrecht einräumen würde. Sie würden somit mehr politischen Einfluss
bekommen. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken - Neukaledoniens
Ureinwohner - hofft aber schon lange auf einen eigenen Staat.

Das Hochkommissariat in Neukaledonien gab bekannt, dass rund 5000
Randalierer im Großraum der Hauptstadt Nouméa an den Unruhen beteiligt seien.
Trotz Ausgangssperren war die Lage noch immer nicht unter Kontrolle. Das größte
Krankenhaus des Archipels, Médipôle de Koutio, teilte mit, derzeit vorwiegend
Notfälle zu behandeln. Wegen Straßenblockaden hätten viele Erkrankte aber
Probleme, die Klinik überhaupt zu erreichen.

Riesiger wirtschaftlicher Schaden

Der Flughafen La Tontoura blieb weiter geschlossen. Vor vielen Geschäften
bildeten sich lange Schlangen besorgter Bürger, weil Lebensmittel bereits
rationiert werden, wie der Sender 1ère Nouvelle-Calédonie berichtete.
Tankstellen ging das Benzin aus.

Die Präsidentin der Südprovinz Sonia Backes, eine prominente Aktivistin für
einen Verbleib bei Frankreich, bat die Regierung in Paris um finanzielle
Unterstützung: "Unser Territorium ist seit 72 Stunden im Griff beispielloser
Gewalt", schrieb sie in einem Brief an Premierminister Gabriel Attal. Der
anfängliche Schaden für die Wirtschaft Neukaledoniens werde von der Industrie-
und Handelskammer auf 150 Millionen Euro geschätzt.

Von 1853 bis 1946 war Neukaledonien französische Kolonie. Die Inselgruppe
mit 270 000 Einwohnern, die 1500 Kilometer östlich von Australien liegt, hatte
durch das Abkommen von Nouméa 1998 bereits weitgehende Autonomie erlangt. Für
Paris ist das Territorium vor allem geopolitisch, militärisch und wegen großer
Nickelvorkommen von Bedeutung. Derzeit versucht Paris, mit den politischen
Kräften in Nouméa ein neues Abkommen zu schließen./cfn/DP/zb

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