16.05.2024 06:24:11 - dpa-AFX: Weininstitut erwartet nach Spätfrost keinen großen Preissprung

MÜNCHEN/BODENHEIM (dpa-AFX) - Die Frostschäden in deutschen Weinbauregionen
könnten eine ganze Reihe von Winzern in Schwierigkeiten bringen. Dass
Verbraucher deshalb am Weinregal tiefer in die Tasche greifen müssen, ist aber
bislang nicht ausgemacht: "Die Gesetze auf dem freien Markt sprechen dafür, dass
die Preise steigen. Aber wir sind keine Insel: Der Preisdruck in der Branche ist
heftig", sagte Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut (DWI). Im Handel
konkurrierten die deutschen Winzer mit Weinbauern aus der ganzen Welt. Daher sei
es für die betroffene Betriebe schwierig, die höheren Preise, die sie
theoretisch verlangen müssten, auch wirklich zu erlösen.

Die Nachtfröste waren Ende April aufgetreten. Zuvor hatten relativ milde
Temperaturen dafür gesorgt, dass die Reben in vielen Regionen bereits
ausgetrieben hatten. In dieser Phase sind die Blüten aber empfindlich gegenüber
Frost. Besonders war demnach, dass der Frost nicht nur am Boden auftrat, sondern
auch in Luftschichten in Pflanzenhöhe, die üblicherweise weniger betroffen sind.
Der Deutsche Weinbauverband, aber auch viele regionale Winzer-Vertretungen
hatten in den folgenden Tagen von Schäden und befürchteten Ertragsausfällen
berichtet.

Allianz-Experte: Hunderte Betriebe werden nicht überleben

Manche Winzer sieht der Schadenleiter der
Allianz-Agrar-Pflanzenversicherung, Martin Heiß, durch den Frost vor großen
Schwierigkeiten: "Gerade die nicht versicherten Betriebe - oft die, die ihren
Wein an Genossenschaften verkaufen - haben ein Problem. Da wird es einen
erheblichen Strukturbruch geben", sagte er. "Hunderte Betriebe werden nicht
überleben."

In Deutschland gab es dem Statistischen Bundesamt zufolge vergangenes Jahr
rund 16 400 Weinbaubetriebe. Bundesweit sieht das Schadensbild nach Angaben der
Allianz sehr unterschiedlich aus: "Wir gehen davon aus, dass etwa in den
Weinbaugebieten in Ostdeutschland 90 bis 100 Prozent der Rebfläche deutlich
geschädigt ist", sagte Heiß. Diese Anbaugebiete seien zwar kleiner, ähnlich sehe
es aber auch in Franken und an der Mosel aus. "Die Schäden dort sind sehr, sehr
heftig. Wir sprechen verbreitet von mehr als 50 Prozent Ertragsverlust".

In den größten deutschen Weinanbaugebieten Rheinhessen und Pfalz sehe es
nicht ganz so schlecht aus. Glimpflich davongekommen seien etwa Südbaden und die
Bodensee-Region, berichtete Heiß. Schulz vom DWI bestätigte, manche Regionen und
Betriebe seien zwar vom Frost stark gebeutelt, die größten Anbaugebiete jedoch
weitgehend verschont geblieben. Extreme Auswirkungen beim Preis erwartet er
durch die Schäden daher nicht. Zahlreiche Winzer würden sich zudem andere
Absatzquellen erschließen - zum Beispiel über mehr Tourismus.

Die Versicherung Vereinigte Hagel schätzte den deutschlandweiten Schaden an
Reben und Obst durch Frost und Hagel zuletzt auf mehr als 500 Millionen Euro.
Laut Allianz-Agrar-Chef Alexander Lührig lässt sich die Höhe des entstandenen
Schadens erst kurz vor der Weinlese zuverlässig beziffern. Etwas mehr als die
Hälfte der bei der Allianz versicherten Winzer habe bereits einen Schaden
gemeldet. "Die Schadenssumme wird im niedrigen zweistelligen Millionenbereich
liegen. Alles andere würde mich wundern."

Steigende Weinpreise

Die Lage auf dem deutschen Weinmarkt ist DWI-Angaben zufolge ohnehin
angespannt. Auch wegen der inflationsbedingten Kaufkraftverluste griffen
Verbraucherinnen und Verbraucher 2023 demnach häufiger zu preiswerterem Wein aus
dem Ausland. Der Preis für heimische Weine im Lebensmitteleinzelhandel stieg um
durchschnittlich 31 Cent auf 4,51 Euro je Liter - und damit stärker als der
ihrer internationalen Pendants. Als Grund für die Erhöhungen 2023 nannte das
Weininstitut vor allem höhere Betriebskosten. Daher seien wohl auch in diesem
Jahr gewisse Preissteigerungen nicht zu vermeiden, sagte Schulz./jwe/DP/zb

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