20.06.2024 21:00:56 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 3: Länder fordern 'konkrete Modelle' zu Asylverfahren

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BERLIN (dpa-AFX) - Die Länder drängen die Bundesregierung
parteiübergreifend, konkrete Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren in
Transit- und Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu erarbeiten. Auf
Initiative der Union verständigten sich die Ministerpräsidenten am Donnerstag
vor ihrem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf einen entsprechenden
Beschluss. Die SPD-Seite zeigte sich trotzdem skeptisch, dass man mit einer
solchen Regelung die irreguläre Einwanderung deutlich bremsen kann. "Dass das
eine Lösung unserer strukturellen Probleme sein wird, das glaube ich nicht",
sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.

Ähnlich hatte sich zuvor Bundesinnenministerin Nancy Faeser geäußert. Das
könne ein "Bausteinchen" sein, würde aber nicht die Migrationslage in
Deutschland grundlegend ändern, sagte die SPD-Politikerin. Die rot-rot-grünen
Regierungen Thüringens und Bremens zeigten sich in einer Protokollerklärung
unzufrieden mit dem Länder-Beschluss. Die gemeinsame europäische Asylpolitik
müsse die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und Humanität sicherstellen, heißt
es darin. "Die Verlagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten
entspricht diesen Anforderungen nicht." Thüringens Ministerpräsident Bodo
Ramelow (Linke) sprach von einer "Scheinlösung".

Die Union zeigte sich dagegen überwiegend zufrieden. Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte von Scholz, die Einigung der
Länder als Auftrag zu sehen, "mit Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit
eine Drittstaaten-Lösung anzugehen".

Stundenlange Verhandlungen bis in den Abend

Ob sich die Bundesregierung auf den Länder-Vorstoß einlässt, war zunächst
unklar. Scholz kam am Nachmittag mit 90 Minuten Verspätung mit den
Ministerpräsidenten zusammen. Die Beratungen zogen sich über mehrere Stunden bis
in den Abend.

Bayern und Sachsen (beide unionsregiert) gingen die Länder-Beschlüsse nicht
weit genug. Sie legten einen Fünf-Punkte-Plan vor, der unter anderem die
Forderung nach einem "Sofort-Arrest" für ausreisepflichtige Straftäter und
Gefährder enthält, die nicht abgeschoben werden können. Sie sollen nach den
Vorstellungen der beiden Länder so lange in Haft bleiben, bis sie freiwillig
ausreisen.

Abkommen zwischen Italien und Albanien als Orientierung

Die Union dringt seit langem auf eine Regelung, nach der Migranten entweder
schon auf ihrem Weg nach Europa in Transitstaaten Asylverfahren durchlaufen oder
nach Ankunft in Deutschland in Drittstaaten außerhalb der EU geschickt werden.
Italien hat ein solches Modell mit Albanien für Bootsflüchtlinge vereinbart, die
im Mittelmeer aufgegriffen werden. Das ist zwar nicht eins zu eins auf
Deutschland übertragbar, könnte aber aus Sicht der Union als ein Vorbild dienen,
an dem man sich orientieren kann. Man müsste aber ein Land finden, das zur
Kooperation bereit ist. Das britische Modell, nach dem Asylverfahren in Ruanda
durchgeführt werden sollen und die Bewerber bei der Schutzgewährung auch dort
bleiben sollen, gilt dagegen als kaum umsetzbar.

In dem Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, "konkrete Modelle
zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten zu entwickeln
und dabei insbesondere auch dafür erforderliche Änderungen in der EU-Regulierung
sowie im nationalen Asylrecht anzugehen".

Faeser sagte am Rande der Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam, eine
wirkliche Reduzierung der Zahl der Asylsuchenden werde über eine
Drittstaaten-Regelung nicht gelingen. Es sei nicht der "Gamechanger", betonte
sie. Die Union setzt allerdings darauf, dass eine solche Regelung abschreckende
Wirkung haben könnte.

Bezahlkarte: Nicht mehr als 50 Euro Bargeld im Monat

Bei der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber einigten sich die Länder
darauf, die Auszahlung von Bargeld auf 50 Euro pro Monat zu begrenzen. Der
Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein
(CDU), sprach von einem wichtigen Zeichen. Die Bezahlkarte solle ab dem Sommer
an den Start gehen, wenn die Ausschreibung für den Dienstleister beendet sein
wird. 14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames
Vergabeverfahren für die Bezahlkarte geeinigt. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern
gehen eigene Wege.

Bremen und Thüringen schlugen allerdings in einer Protokollerklärung statt
monatlich 50 Euro bar einen "Bargeldkorridor von 50 bis 120 Euro" wegen
unterschiedlicher regionaler Voraussetzungen vor. Rheinland-Pfalz wandte sich
vor diesem Hintergrund gegen "eine starre Festlegung auf einen Barbetrag von
50,00 Euro". Die Bezahlkarte soll unter anderem Geldzahlungen an Schleuser oder
Familien in den Heimatländern verhindern, Kommunen bei der Verwaltung entlasten
und den Anreiz für illegale Migration senken.

Tempo bei Abschiebungen und Fortsetzung der Grenzkontrollen gefordert

Die Länder begrüßten auch die Ankündigung des Kanzlers, den Abschiebestopp
für Afghanistan und Syrien zu lockern und Schwerkriminelle wieder dorthin
zurückzuführen. Scholz hatte damit auf die tödliche Messerattacke eines Afghanen
in Mannheim reagiert. Die Ministerpräsidenten forderten eine schnelle Umsetzung
des Vorhabens.

Sie verlangten auch, die bestehenden Grenzkontrollen "bis zur nachhaltigen
Sicherung der EU-Außengrenzen weiter aufrechtzuerhalten". Die Kontrollen hätten
dazu beigetragen, irreguläre Migration zu reduzieren und Schleuserkriminalität
einzudämmen, heißt es in dem Beschluss zur Begründung.

Länder bekräftigen Forderung nach Pflichtversicherung für Elementarschäden

Das zweite wichtige Thema bei den Beratungen war die Forderung nach einer
verpflichtenden Elementarschadensversicherung für Katastrophenfälle wie
Hochwasser, die die Länder in ihrem Beschluss bekräftigten. "Es ist Sache der
Bundesregierung, des Bundestages, in dieser Hinsicht auch die richtigen
Regelungen zu treffen. Darauf hinzuweisen, werden wir nicht müde werden", sagte
Niedersachsens Ministerpräsident Weil.

Die Bundesländer fordern seit einem Jahr die Einführung einer
Pflichtversicherung für Hausbesitzer, doch sowohl die deutschen Versicherer als
auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnen das ab. Nur etwa die
Hälfte der in Deutschland stehenden privaten Gebäude ist elementarversichert.

Eine solche Versicherung deckt oftmals Wetterextreme wie Starkregen oder
Überschwemmung ab. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzte sich
am Donnerstag angesichts der jüngsten Hochwasserereignisse in Bayern vehement
für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für Hausbesitzer
ein./mfi/abc/DP/ngu

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