28.06.2024 10:59:03 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Wie kann Wärmeversorgung für die Stadt klimaneutral werden?

ESSEN (dpa-AFX) - In spätestens zwei Jahren müssen Großstädte mit mehr als
100 000 Einwohnern kommunale Wärmepläne fertig haben. Diese Pläne sollen einen
Pfad zeigen, wie bis 2045 die lokale Wärmeversorgung auf die Nutzung von
erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme umgestellt werden kann.
Wohnungseigentümer, Unternehmen und Energieversorger sollen damit Orientierung
bekommen für ihre Investitionsentscheidungen, wenn es etwa um den Ausbau eines
Wärmenetzes oder die Anschaffung einer Wärmepumpe geht. In einigen Großstädten
liegen solche Pläne bereits vor.

Der Deutsche Städtetag ist zuversichtlich, dass die übrigen Städte ihre
Pläne rechtzeitig fertig bekommen. Die Deutsche Presse-Agentur hat zwei Jahre
vor dem Stichtag 30. Juni 2026 die größten Städte gefragt, wie sie mit der
Umsetzung vorankommen. Ein Überblick.

Berlin

Die Hauptstadt hat noch keinen Wärmeplan, der Planungsprozess wurde aber
bereits 2022 begonnen. Bis Anfang 2026 soll der Plan vorliegen. Schon jetzt ist
klar: "Aufgrund der hohen Wärmedichte in Berlin kann für einen Großteil der
Stadt von einer Eignung für Wärmenetze ausgegangen werden", erklärt die
Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. Wärmenetze
würden daher eine zentrale Rolle für die Berliner Wärmewende spielen. 2018
wurden 43 Prozent der Berliner Wohnungen mit Fernwärme versorgt. Parallel zum
genannten Wärmeplanungsprozess gibt es eine verkürzte Wärmeplanung, deren
Ergebnisse schon 2025 veröffentlicht werden sollen. Sie soll den
Gebäudeeigentümern in dezentralen Wohnlagen eine Orientierung zur geeigneten
Wärmeversorgungsmöglichkeit geben.

Hamburg

In Hamburg sollen "wesentliche Antworten" für die Wärmeplanung Ende 2024
vorliegen. Schon jetzt gibt es im Internet eine Wärmenetz-Eignungskarte. Dort
können Gebäudeeigentümer nachsehen, ob ein Fernwärmeanschluss in Frage kommt
oder eher nicht. "Beispielsweise kann man im Gebiet "für Wärmenetz nicht
geeignet" in der Regel davon ausgehen, dass hier kein kommerziell betriebenes
Wärmenetz errichtet wird", erklärt die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und
Agrarwirtschaft und empfiehlt: "Die Gebäudeeigentümer:innen sollten sich daher
über eine zukünftige, gebäudenahe Wärmeversorgung ihres Gebäudes Gedanken
machen." Die Behörde betont, dass es sich bei den Informationen der Karte um
Abschätzungen handelt und nicht um verbindliche Auskünfte, ob ein Gebäude
tatsächlich einen Wärmenetzanschluss erhält.

München

Die bayerische Landeshauptstadt hat eine Wärmeplanung. Sie wurde im Mai vom
Stadtrat beschlossen. "In Zukunft streben wir eine regenerative Wärmeversorgung
an, bei der ein Drittel der benötigten Wärme aus dezentralen Wärmepumpen und
zwei Drittel aus Fernwärme gewonnen werden sollen", erklärt die Stadt.
Kombiniert werden sollen eine effiziente Nutzung erneuerbarer Umweltwärme und
eine Versorgung der Fernwärme mit Tiefengeothermie, um den Bedarf an fossilen
Brennstoffen zu ersetzen. "Die dezentralen Wärmepumpen sollen in erster Linie
für die Versorgung von Einzelgebäuden oder kleineren Quartieren eingesetzt
werden." Fernwärme sei insbesondere für größere Wohn- und Geschäftsgebäude sowie
industrielle Anwendungen geeignet. Auch in München gibt es eine Karte, die
Wärmekarte genannt wird und Auskunft über voraussichtliche
Wärmeversorgungsgebiete gibt.

Köln

Köln will im zweiten Halbjahr 2024 eine Bestandsaufnahme und eine
Potenzialanalyse vorlegen. Im ersten Halbjahr 2026 soll die kommunale
Wärmeplanung verabschiedet werden. Herausgefunden wurde bereits, dass in Köln
beispielsweise kein Tiefengeothermie-Potenzial vorliegt. "Dafür bietet der
Grundwasserleiter ein großes Potenzial für Grundwasserwärmepumpen", erklärt die
Stadt. Das bestehende Fernwärmenetz solle nachverdichtet und erweitert werden.
"Auch die dezentrale Wärmeversorgung, beispielsweise mit Wärmepumpen, wird ein
wichtiger Baustein der Wärmeplanung."

Frankfurt/Main

In Frankfurt am Main liegt seit vergangenem Jahr eine Konzeptstudie zur
Vorbereitung der kommunalen Wärmeplanung vor. "Die Studie gibt erste fundierte
Hinweise darüber, wo die Schwerpunkte der Wärmeplanung für die Stadt Frankfurt
am Main liegen werden", erklärt die Stadt. Der eigentliche Wärmeplan soll dann
bis Ende 2025 fertig werden. Auch in Frankfurt sollen Wärmenetze eine wichtige
Rolle spielen. "Frankfurt ist in der glücklichen Lage, bereits über ein größeres
Wärmenetz zu verfügen, das ausgebaut werden kann", erklärt eine Sprecherin.
Zurzeit würden 25 Prozent des Frankfurter Wärmemixes als Fernwärme zur Verfügung
gestellt. Künftig sollen es 40 Prozent sein. Bürgerinnen und Bürger sollen im
Internet abfragen können, ob für ihre Adresse ein Fernwärmeanschluss angeboten
werden soll.

Düsseldorf

Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt will ihre Wärmeplanung bis Ende
2025 fertig haben. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sieben Stadtteile "sich
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für eine Versorgung durch Fernwärme eignen",
wie die Stadt erklärt. "Das Fernwärmenetz soll künftig in den Teilen der Stadt
ausgebaut werden, in denen es für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen
die wirtschaftlichste und klimafreundlichste Option für die Wärmeversorgung
darstellt", heißt es weiter. Die Stadt betont, dass kein Anschluss- und
Benutzungszwang für Fernwärme geplant ist. "In den Stadtteilen, die
Wärmenetzverdichtungsgebiete oder Wärmenetzneubaugebiete sein werden, werden
Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin die Möglichkeit haben, auf andere
Technologien für die Wärmeversorgung zurückzugreifen, wenn diese die
Anforderungen aus dem Gebäudeenergiegesetz erfüllen." Eine feste Zielquote für
den Anschluss von Wohnungen an Wärmenetze gebe es nicht.

Leipzig

Die Wärmeversorgung in Leipzig soll schon bis 2038 klimaneutral werden. "Für dezentrale Lösungen wie z.B. Wärmepumpen ist ein Ausbau des Stromnetzes
erforderlich. Für den Ausbau der Fernwärmeversorgung sind neue Netze und auch
neue klimaneutrale Erzeugungsanlagen erforderlich", erklärt die Stadt. Im
laufenden Jahr sollen erste Eckpunkte der Wärmeplanung in einem Rahmenpapier
vorgelegt werden. Es solle für einzelne Gebiete in Leipzig festlegen, welche
Wärmeversorgung die Bürger in Zukunft erwarten können. Dieser Rahmen soll die
Basis bilden für die Beteiligung der Öffentlichkeit. "Dieser Beteiligungsprozess
wird dann in einen finalen Wärmeplan für Leipzig münden."

Dortmund

Die Stadt Dortmund arbeitet schon länger an einem sogenannten
Energienutzungsplan, der außer Wärme auch andere Energieströme wie etwa
Szenarien zur zukünftigen Stromversorgung, Wasserstoffnutzung, Elektromobilität
und zu Kühlbedarfen in den Blick nimmt. Ende 2024 soll dieser Plan fertig sein.
Er soll dann in einen kommunalen Wärmeplan überführt werden.

Stuttgart

Stuttgart hat seit Dezember einen Wärmeplan, dessen Ergebnisse online auf
einer Karte eingesehen werden können. "Der Wärmeplan enthält Empfehlungen für
verschiedene Gebietstypen und Energiequellen, aber keine Pflichten für die
Gebäudeeigentümer", betont die Stadt. Die Voraussetzungen für eine nachhaltige
Wärmeversorgung würden in den Stuttgarter Stadtbezirken stark variieren. "Ein
entscheidender Aspekt ist die Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen wie
Sonne, Wasser, Wind, Biomasse oder Erdwärme. Diese Quellen stehen oft nur bei
niedrigeren Temperaturen zur Verfügung als fossile Energieträger wie Erdgas,
Erdöl oder Kohle." Damit die Wärmwende gelinge, müsse der Energiebedarf
insgesamt sinken. "Erst dann kann der verbleibende Bedarf aus erneuerbaren
Quellen gedeckt werden." Der Gebäudesanierung komme daher eine Schlüsselrolle
zu, da sie den Energieverbrauch deutlich reduziert.

Essen

Wann die Wärmeplanung in Essen vorliegt, ist noch offen. "In jedem Fall wird die Frist Juni 2026 eingehalten", erklärt eine Sprecherin. Bestands- und
Potenzialanalyse seien abgeschlossen. "Klar ist bereits jetzt: Die
Wärmeversorgung wird sich radikal verändern." Derzeit sei das System von Erdgas-
(59 Prozent) und Ölheizungen (21 Prozent) dominiert. Zukünftig könne der
Fernwärme-Anteil durch Ausbau und Verdichtung des Fernwärmenetzes von derzeit 7
Prozent auf 34 Prozent gesteigert werden. Hauptsächlich werde die
Wärmeversorgung jedoch strombasiert dezentral erfolgen, in der Regel durch
Wärmepumpen./tob/DP/stk

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