14.05.2024 15:17:01 - dpa-AFX: POLITIK: Libanesische Behörden veranlassen 'freiwillige Rückkehr' von Syrern

BEIRUT (dpa-AFX) ? Inmitten wachsender Spannungen zwischen Libanesen und
Syrern im Libanon haben die libanesischen Behörden am Dienstag erneut einen
Konvoi zur Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland organisiert. Die
rund 300 Flüchtlinge konnten sich für den mit den syrischen Behörden
koordinierten Konvoi nach Syrien vor der Abfahrt registrieren. Nach Angaben der
Sicherheitsbehörden handelte es sich um eine "freiwillige Rückkehr". Mitarbeiter
des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) haben den Prozess nach eigenen Aussagen
überwacht. In der Vergangenheit hat es bereits mehrfach ähnliche Konvois zur
freiwilligen Rückkehr nach Syrien gegeben, zuletzt im November.

Die Lage für Syrer im Libanon spitzt sich immer weiter zu. Viele sehen sich
angesichts der zunehmend feindlichen Stimmung im Land gezwungen, den Libanon zu
verlassen - auch wenn sie Verfolgung in Syrien zu befürchten haben. "Es ist ein
Alptraum. Ich habe Angst davor, was mit meinem Sohn und mir passieren wird. Er
wird mit Sicherheit in den Militärdienst eingezogen", sagte eine der abfahrenden
Syrerinnen. Eine andere Frau, die seit Jahren im Flüchtlingslager in Arsal nahe
der Grenze zu Syrien lebte, machte sich mit ihren zwei Töchtern und Enkelinnen
auf den Weg. "Ich freue mich darauf, in mein Haus in mein Dorf zurückzukehren.
Es ist besser in einem Haus mit Dach zu schlafen, als in einem Zelt", sagte sie
der Deutschen Presse-Agentur.

Menschenrechtler kritisieren seit langem von libanesischen Beamten
angewandte, diskriminierende Praktiken, die Geflüchtete zur Rückkehr nach Syrien
zwingen sollen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW)
berichtete unter anderem, dass die libanesischen Behörden in den vergangenen
Monaten Syrer, darunter Oppositionsaktivisten und Armeeüberläufer, willkürlich
festgenommen, gefoltert und nach Syrien zurückgeschickt hätten. Die EU hat dem
Libanon dennoch Anfang Mai rund eine Milliarde Euro versprochen - im Gegenzug
für die Finanzhilfen sollen die libanesischen Behörden den Zustrom syrischer
Flüchtlinge in Richtung EU-Inselrepublik Zypern stoppen.

Der Libanon beheimatet mehr als 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Er zählt damit zu den Ländern, die pro Kopf weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen
haben. Der Mittelmeerstaat selbst steckt in der schwersten Wirtschaftskrise
seiner Geschichte. Die Krise ist auf eine jahrzehntelange und tief verankerte
Korruption in Politik und Wirtschaft zurückzuführen. Politiker im Land
beschuldigen syrische Flüchtlinge immer wieder öffentlich, Schuld an der Krise
zu tragen, zu inneren Unruhen im Land und zu einer steigenden Kriminalitätsrate
beizutragen./arj/DP/jha

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