21.06.2024 08:15:03 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Der Barcode wird 50 - sechs Fakten zum Geburtstag

KÖLN (dpa-AFX) - Dicke Striche und dünne Striche, dazwischen weiß. Jeder
kennt sie. Strichcodes, auch Barcodes genannt, befinden sich auf Lebensmitteln,
aber auch auf Verpackungen von Elektronikartikeln und Etiketten neuer
Kleidungsstücke. Aus dem Alltag der Verbraucher sind sie nicht wegzudenken. Am
26. Juni 2024 feiert der Barcode seinen 50. Geburtstag. Die wichtigsten Fakten
zu den berühmten Codes:

So funktionieren sie

Mehr als eine Milliarde Produkte tragen heute einen Barcode, täglich wird er weltweit zehn Milliarden Mal gescannt. Basis für den Code ist die darunter
stehende GTIN, eine 13-stellige Artikelnummer. Die Kölner Firma GS1 vergibt die
Nummern an den Handel, damit dieser seine Produkte kennzeichnen sowie weltweit
identifizierbar machen und verkaufen kann. Der Barcode wird anschließend
mithilfe einer speziellen Software erzeugt. Der Inhalt von Code und Nummer ist
gleich, nur die Darstellung unterscheidet sich. Die Unternehmen zahlen dafür
eine Lizenzgebühr, die Höhe hängt vom Jahresumsatz und der Anzahl der benötigten
Artikelnummern ab. Weltweit gibt es 116 Länderorganisationen, die das ebenfalls
anbieten.

Jedes Produkt hat einen eigenen Barcode. Alle Alpenmilch-Schokoladentafeln
von Milka haben dieselbe Artikelnummer, die Sorte Haselnuss wiederum eine
eigene. Mit dem verschlüsselten Code ist jeder Artikel weltweit identifizierbar.
Zieht eine Kassiererin ihn über den Scanner, erkennt das System, um welches
Produkt es sich handelt. Hinterlegt sind Informationen zu Marke, Sorte, Gewicht,
Größe, Zutaten und Nährwerten. Warum es beim Scannen piept? Der Ton signalisiert
Kassiererin oder Kassierer, dass ein Artikel erfasst wurde. Wenn nicht, kann er
erneut gescannt oder per Hand eingegeben werden.

Die Erfinder

Erfinder der Codes sind die US-Amerikaner Joseph Woodland und Bernard
Silver. Um Produktinformation auch ohne Zahlen automatisch auslesen zu können,
entwickelten die beiden Studenten in den Jahren 1948 und 1949 ein Konzept und
beantragten ein Patent. Bis das erste Produkt über eine Kasse gezogen wurde,
dauerte es jedoch noch Jahre. 1962 verkauften Silver und Woodland ihre
inzwischen geschützte Erfindung für 15 000 US-Dollar an das Unternehmen Philco.
Anschließend machten sich mehrere Hersteller daran, Strichcode und Scanner mit
Laser-Technologie weiterzuentwickeln.

Die Premiere

Im Jahr 1971 einigten sich Händler und Hersteller in den USA auf die
Einführung des Standards "Universal Product Code" (UPC). Seine Premiere feierte
der Barcode am 26. Juni 1974. An diesem Tag wurde der erste Artikel, eine
Packung Kaugummi der Marke Wrigley's Juicy Fruit, in einem Marsh-Supermarkt in
Ohio, USA, mit einem speziellen Gerät gescannt. Es ist das Jahr, in dem
Deutschland das Fußball-WM-Finale gewinnt.

Im Jahr 1976 einigten sich Händlerorganisationen und Länder in Europa auf
den 13-stelligen EAN-Code - die sogenannte "European Article Number". In
Deutschland ist es die Wuppertaler Firma Wichartz, die am 1. Juli 1977 als
Erstes eine ihrer Gewürzmischungen mit Strichcode auszeichnet. Die erste
Scannerkasse wurde im Oktober 1977 in einem "Südmarkt"-Supermarkt in Augsburg in
Betrieb genommen. In Deutschland trugen ab 1984 laut GS1 fast alle verpackten
Lebensmittel für Endverbraucher einen Code. Die EAN wurde 2009 in GTIN
umbenannt.

Experten wie Stephan Rüschen sind überzeugt von den Verdiensten der Technik. "Der Barcode hat über die letzten Jahrzehnte nicht nur das Kassieren
vereinfacht, sondern auch die gesamte Prozesskette im Handel wesentlich
verbessert", sagt der Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule
Baden-Württemberg in Heilbronn.

Aldi stellte als Letztes um

Bis in die 1970er Jahre musste weltweit jeder Artikel im Handel einzeln
ausgezeichnet, jeder Preis eingetippt werden - auch bei den großen
Lebensmitteleinzelhändlern in Deutschland. Nach und nach führten die Unternehmen
Scannerkassen ein. Edeka installierte 1981 in Zwingenberg in Baden-Württemberg
die Erste. Der Discounter Lidl stellte 1996 um. Aldi Süd erst später, 2002 waren
sämtliche Filialen mit modernen Scannerkassen ausgestattet, bei Aldi Nord sogar
noch ein Jahr später. Im Rückblick auf jene Zeit, als die Kassiererinnen noch
sämtliche Artikelnummern auswendig kannten und in rasender Geschwindigkeit
eintippten, sprechen sie bei Aldi heute noch gern von einem Mythos.

Verbraucher können Barcodes inzwischen mit speziellen Smartphone-Apps wie
Barcoo entschlüsseln. Wer ein Produkt im Supermarkt scannt, hat damit Zugriff
auf weitere Produktinfos wie zum Beispiel Nährwertangaben.

Popkultur und Werbung

Der Barcode taucht auch außerhalb seines eigentlichen Verwendungsbereiches
auf. Der Künstler Scott Blake gestaltet Bilder bekannter Persönlichkeiten wie
Marilyn Monroe, die nur aus Strichcodes bestehen. Der Street-Art-Künstler Banksy
hat den Code in seinen Werken ebenfalls wiederholt aufgegriffen. Auch die Kölner
Privatbrauerei Gaffel spielt mit dem Design. Seit Jahren druckt sie einen
Strichcode in Form des Kölner Doms auf ihre Partyfässchen und das Sixpack der
Kölsch-Sorte.

Für immer und ewig Barcode?

"Vielen Dank lieber Barcode für deine Verdienste in der Vergangenheit. Die
Zukunft gehört anderen", sagt Handelsexperte Rüschen. Was danach kommt, zeichnet
sich schon ab. Die Firma GS1 erwartet nach und nach eine Umstellung auf
zweidimensionale Codes wie den QR-Code. Der Prozess laufe bereits, die
Handelsunternehmen würden auf die Umstellung vorbereitet, heißt es. Die
kamerabasierten Scanner, die dafür benötigt werden, sind laut GS1 bereits bei
mehr als 80 Prozent der Kassen im Einzelhandel verbaut.

Warum ein Wechsel nötig ist? "Die Konsumenten sind heute kritischer, sie
wollen mehr Informationen zu einem Produkt, zu Allergenen, Daten zu
Nachhaltigkeit und Verpackungen", sagt Expertin Sandra Hohenecker von GS1. Mit
der Artikelnummer ließe sich diese Vielzahl an Daten nicht abbilden, mit
QR-Codes sei dies problemlos möglich und für Kunden transparent nachverfolgbar.
Ein weiterer Vorteil: Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum kann hinterlegt werden.
Eines ändert sich beim QR-Code nicht: Artikel werden an der Kasse einzeln
gescannt.

Das ist beim RFID-Tag anders. Experte Rüschen sieht gute Chancen für diese
Technik. Das Verfahren zur automatischen Identifizierung von Objekten über Funk
wird bereits von Textilhändlern wie Zara, Uniqlo und Decathlon verwendet. Die
Artikel müssen nicht einzeln gescannt werden, sondern können gleichzeitig
erfasst werden - wenn der Einkaufswagen durch ein Gate geschoben wird oder die
Produkte in einer Schale platziert werden. Der Tag kann jeden einzelnen Artikel
eindeutig identifizieren. Das heißt: 1000 Nutella-Gläser habe keine gemeinsame
Nummer, sondern 1000 verschiedene.

Der Nachteil: Die einzelne Kennzeichnung ist aufwendig, außerdem sind
RFID-Tags teurer. Deshalb eigneten sie sich eher für höherpreisige Produkten im
Bekleidungsbereich als bei einem Joghurtbecher für 60 Cent, sagt Rüschen. Er
kann sich vorstellen, dass sich RFID im Food-Bereich in den nächsten 5 bis 10
Jahren endgültig durchsetzt. Sandra Hohenecker erwartet, dass sich mehrere Codes
etablieren können, je nach Einsatzort. Wann der Barcode endgültig verdrängt sein
wird, vermag sie nicht vorherzusagen./cr/DP/stk

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