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16.07.2024 08:30:40 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Buschmann hält Legalisierung der Eizellenspende für möglich

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesjustizminister Marco Buschmann sieht gute Chancen
für eine Initiative zur Legalisierung der Eizellenspende in Deutschland noch vor
der Bundestagswahl im September 2025. Eine entsprechende Reform würde Menschen
mit unerfülltem Kinderwunsch unterstützen.

Zu der von der SPD-Fraktion und Politikerinnen der Grünen angestrebten
Reform des Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch erwartet der
FDP-Politiker dagegen keine rasche Einigung. "Beim Schwangerschaftsabbruch
stellen sich besonders schwierige verfassungsrechtliche Fragen", sagte Buschmann
der Deutschen Presse-Agentur. Hierzu gebe es innerhalb der Regierungsfraktionen
und in der Gesellschaft sehr unterschiedliche Perspektiven. "Bei der
Eizellenspende sehe ich deutlich mehr Übereinstimmungen", erklärte er. Hier sei
auch klar: "Eine Erlaubnis der Eizellenspende wäre mit dem Grundgesetz
vereinbar."

"Keine überragenden medizinischen oder psychologischen Risiken"

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 gibt es zu
beiden Punkten keine Festlegung, sondern nur den erklärten Willen, sich mit
diesen Fragen zu beschäftigen. Wörtlich heißt es in der Vereinbarung: "Wir
setzen eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und
Fortpflanzungsmedizin ein, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch
außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der
Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird."

Im April hat die Kommission schließlich ihre Empfehlungen ausgesprochen. Sie habe herausgearbeitet, dass es "keine überragenden medizinischen oder
psychologischen Risiken gebe, die gegen eine Legalisierung sprechen", sagte der
Justizminister. Das lege auch ein Blick in andere europäische Länder nahe, wo
die Eizellenspende legal sei. "Aus meiner persönlichen Sicht sprechen deshalb
gute Gründe dafür, das kategorische Verbot der Eizellenspende in Deutschland
aufzuheben", sagte Buschmann der dpa.

Kommission nennt Bedingungen für Eizellenspende

Bei anspruchsvollen rechtsethischen Fragen entspreche es allerdings guter
Tradition, dass Gesetzentwürfe nicht von der Bundesregierung, sondern aus der
Mitte des Bundestags vorgelegt würden. Innerhalb der Regierungsfraktionen gebe
es den Wunsch, das auch in diesem konkreten Fall so zu handhaben. "Das
respektiere ich", betonte Buschmann.

Die Expertenkommission legt auch nahe, Schwangerschaftsabbrüche in der
Frühphase der Schwangerschaft künftig nicht mehr unter Strafe zu stellen. Die
bislang bestehende Beratungspflicht vor einem Abbruch stellt sie infrage. Für
die Eizellenspende nennt sie mehrere Bedingungen: So sollte unter anderem der
Handel mit Eizellen unzulässig bleiben. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner
Abstammung müsse abgesichert werden.

Rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion kündigt Initiative an

Buschmanns Parteikollegin, Katrin Helling-Plahr, beabsichtigt, den Prozess
bald anzustoßen. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion
sagte: "Ich beabsichtige, noch in diesem Sommer die Kolleginnen und Kollegen der
anderen demokratischen Fraktionen zu kontaktieren und einzuladen, gemeinsam an
einem Gruppenantrag zur Legalisierung der Eizellenspende zu arbeiten." Das
aktuell geltende Verbot sei medizinisch sowie gesellschaftlich schon lange nicht
mehr begründbar. Schließlich hätten mit Ausnahme von Deutschland und Luxemburg
bereits alle EU-Mitgliedstaaten den Weg der Legalisierung beschritten. "Es wird
höchste Zeit, dass auch wir im 21. Jahrhundert ankommen und Frauen eine
selbstbestimmte Entscheidung darüber ermöglichen, ob sie ihre Eizellen spenden
möchten", findet sie. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat
sich bei dem Thema offen für eine Reform gezeigt.

Wie ihr Vorschlag konkret aussehen soll, sagte Helling-Plahr nicht.
Beispielsweise stellt sich die Frage, ob es Frauen generell erlaubt werden
sollte, gegen eine Aufwandsentschädigung Eizellen für Frauen, die nicht
schwanger werden können, zur Verfügung zu stellen, oder ob man sich womöglich
zunächst auf sogenannte überzählige Eizellen beschränken würde. Damit sind
Eizellen gemeint, die einer Frau im Zuge einer Kinderwunsch-Behandlung
entnommen, dann aber nicht mehr von ihr selbst für eine Schwangerschaft genutzt
werden.

Selbstbestimmungsgesetz hat scharfe Debatten ausgelöst

Welche Sprengkraft Themen entwickeln können, die mit geschlechtlicher
Identität, gesellschaftlichen und religiösen Normen zusammenhängen, hat die
Bundesregierung bereits während der Beratungen zum Selbstbestimmungsgesetz
erlebt. Inzwischen ist der Gesetzentwurf der Ampel-Koalition von Bundestag und
Bundesrat gebilligt worden. Die Reform tritt noch in diesem Jahr in Kraft. Das
Gesetz macht es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären
Menschen künftig erheblich einfacher, Geschlechtseintrag und Vornamen behördlich
ändern zu lassen. Dazu ist dann nur noch eine Erklärung beim Standesamt nötig.
Eine Gerichtsentscheidung und zwei Sachverständigengutachten, die bisher
erforderlich waren, braucht es künftig nicht mehr.

Das gesellschaftliche Klima habe sich in den vergangenen Jahren verändert,
meint Buschmann. Die Verunsicherung sei gewachsen, die Debatten schärfer
geworden. "Ich finde es deshalb nicht überraschend, dass ein Gesetz wie das
Selbstbestimmungsgesetz sehr kontrovers diskutiert wird - und das ist als
solches ja auch nicht beklagenswert", sagte der Bundesjustizminister. Die
Verfassung schütze aber nicht nur die freie Meinungsäußerung, sondern auch das
Grundrecht auf Achtung der geschlechtlichen Identität. Und da das geltende
Transsexuellengesetz in Teilen verfassungswidrig sei, habe hier "akuter
gesetzgeberischer Handlungsbedarf" bestanden.

Für Schlagzeilen hatte kürzlich der Fall einer Transfrau gesorgt, die sich
an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt hatte, nachdem ihr die
Mitgliedschaft in einem Frauen-Fitness-Studio in Erlangen verwehrt worden war.
Aus Sicht des Bundesjustizministers liefert diese Auseinandersetzung jedoch
denjenigen, die sich gegen das Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen haben,
keine Argumente. Buschmann sagte: "Das Selbstbestimmungsgesetz tastet das
Hausrecht nicht an." Da, wo es um den Schutz der Intimsphäre geht, könnten
unterschiedliche Behandlungen aufgrund des Geschlechts gerechtfertigt sein.
Daran werde auch das neue Gesetz nichts ändern./abc/DP/mis

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