24.06.2024 15:35:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Streit um Haushalt wird ruppiger - FDP-Kritik an 'Schuldenpopulismus'

BERLIN (dpa-AFX) - Im schärfer werdenden Haushaltsstreit der Ampelparteien
pocht die FDP von Bundesfinanzminister Christian Lindner auf ihr Nein zu einer
erneuten Aussetzung der Schuldenbremse und geht zugleich deutlicher auf
Konfrontation zur SPD. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnte den größeren
Koalitionspartner am Montag in Berlin vor Schritten, die toxisch für den
Wohlstand in Deutschland seien. "Der Schuldenpopulismus der SPD vor allem ist an
der Stelle auch gefährlich für die Zukunft und Entwicklung unseres Landes",
sagte Djir-Sarai nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei.

Dagegen besteht die SPD auf einem größeren Spielraum bei neuen Schulden. Der Krieg gegen die Ukraine stelle "eine Notlage dar, die wir nicht aus einem
Normalhaushalt bewältigen können, ohne in schmerzhafter Art und Weise unsere
Aufgaben zu vernachlässigen", sagte Parteichefin Saskia Esken nach der
SPD-Präsidiumssitzung. Und: "Es ist ganz klar, dass wir als SPD nicht dazu
bereit sind, unsere Solidarität mit der Ukraine gegen den Fortbestand unserer
Solidarität mit der eigenen Bevölkerung ausspielen zu lassen." Daher appelliere
sie daran, keine Option vorschnell vom Tisch zu nehmen, auch eine erneute
Aussetzung der Schuldenbremse nicht.

In der Bundesregierung laufen derzeit Verhandlungen über den Bundeshaushalt
2025. Es müssen Milliardenlöcher gestopft werden. Mehrere Ressorts wollen
Lindners Sparvorgaben nicht einhalten. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte
vorgesehene Einsparungen für den Haushalt verteidigt. Zur Frage einer Notlage
wegen des Ukraine-Krieges sagte er zuletzt, es gehe jetzt darum, "erst mal seine
Hausarbeiten zu machen und Stück für Stück jeden einzelnen Haushaltsposten
durchzugehen und nicht irgendwie sich den bequemen Ausweg zu suchen".

Am Montag stellte der Kanzler Entlastungen für die Wirtschaft in Aussicht.
Die Bundesregierung wolle private Investitionen fördern, sagte der SPD-Politiker
beim Tag der Industrie in Berlin."Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Sachen
Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe drauflegen auf das, was
uns mit dem Wachstumschancengesetz gelungen ist." Dafür sei aber auch die
Zustimmung der Länder notwendig. Das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung
mit Entlastungen für Firmen war nach einem Vermittlungsverfahren von Bundesrat
und Bundestag vom Volumen her deutlich geringer ausgefallen als geplant.

Scholz sagte auf die Frage, ob sich die Koalition auf einen Entwurf zum
Haushalt 2025 einige: "Ja." Es sehe sehr danach aus. Der Entwurf solle im Juli
vom Kabinett beschlossen werden. "Zukunftsinvestitionen" für Deutschland würden
auch im nächsten Jahr hohe Priorität haben. Er sagte weiter mit Blick auf
Energiepreise und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, ihm sei bewusst,
dass die Transformation wegen eines unterschiedlichen Niveaus der Energiepreise
weltweit eine Herausforderung für den Standort Deutschland darstelle.

Lindner sieht sich unterdessen durch die Sommerinterviews von Scholz und
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) in seinem Sparkurs bestätigt. "Die
Schuldenbremse gilt, und wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Und
das bedeutet unter anderem, dass mehr Menschen, die arbeiten könnten, auch
arbeiten, statt Bürgergeld zu beziehen. Und da müssen wir an den Gesetzen noch
mal arbeiten, müssen sie anschärfen", sagte Lindner dem Nachrichtensender Welt
TV.

Er unterstützte die Forderung der Jungen Gruppe der FDP-Fraktion im
Bundestag, Investitionen in Bildung durch Sparmaßnahmen an anderer Stelle
sicherzustellen. "Die Schuldenbremse ist keine "Wäre-schön-wenn"-Option, sondern
im Grundgesetz verbriefte Generationengerechtigkeit. Allen muss klar sein: Ohne
Schuldenbremse, ohne uns", hatte der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Jens
Teutrine, der "Bild"-Zeitung (Montag) gesagt. Die Gruppe umfasst rund ein
Drittel der 91 FDP-Bundestagsabgeordneten.

"Wir führen diese Verhandlungen nicht auf offener Bühne", sagte die
Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang, nach einer Sitzung des Bundesvorstands ihrer
Partei. Dabei gebe es für die Grünen drei Leitlinien: Erstens, "dass wir uns in
einer Zeit der globalen Bedrohung außenpolitisch gut und sicher aufstellen".
Zweitens gelte, "wir wollen keinen Sparhaushalt, der uns beim Klimaschutz
zurückwirft". Außerdem müsse der innere Zusammenhalt gestärkt werden, betonte
die Co-Vorsitzende. Dabei gehe es nicht nur um Armutsbekämpfung, sondern auch um
Menschen mit mittleren Einkommen und bezahlbaren Wohnraum für junge Familien.
"Für uns ist klar, wir werden den Sozialstaat verteidigen."

Linke Sozialdemokraten des Forums "Forum DL21" brachten beim SPD-Vorstand
ein Mitgliederbegehren zu den Haushaltsverhandlungen auf den Weg. Der
Co-Vorsitzende des Forums, Erik von Malottki, sagte dem "Tagesspiegel" (Montag):
"Wir wollen in erster Linie, dass ein Haushalt auf den Weg gebracht wird, der
nicht bei breiten Teilen der Bevölkerung für schlechtere Bedingungen sorgt. Zum
Beispiel durch Kürzungen bei den Kitas oder bei der Rente." Malottki betonte
zugleich: "Wir wollen keinen Koalitionsbruch."/cn/DP/jha

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