16.06.2024 16:52:35 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Frau in USA saß 43 Jahre lang hinter Gitter - Richter: unschuldig

KANSAS CITY (dpa-AFX) - Eine Frau im US-Bundesstaat Missouri hat
möglicherweise mehr als 43 Jahre zu Unrecht für einen Mord an einer anderen Frau
hinter Gittern gesessen. Ein Bezirksrichter von Livingston County erklärte am
Freitag (Ortszeit) nach mehrtägigen Anhörungen zu dem Fall, es gebe "klare und
überzeugende" Beweise dafür, dass die heute 64-jährige Sandra "Sandy" Hemme
unschuldig sei, wie die Zeitung "The Kansas City Star" und andere US-Medien
berichteten. Vielmehr lenkten "direkte Beweise" die Spur auf einen
Polizeibeamten, der 2015 aber verstorben sei, befand Richter Ryan Horsman
demnach in einem 118-seitigen Bericht. Zudem habe es Ermittlungs- und
Verfahrensfehler gegeben.

Die Anwälte der Frau beantragten umgehend ihre Freilassung aus dem
Chillicothe Correctional Center. Die Staatsanwaltschaft hat der Zeitung zufolge
nun 30 Tage Zeit, um zu entscheiden, ob sie Hemme erneut anklagen oder die
Anklage fallen lassen will. Sollte sie freigelassen werden, wäre dies die
längste bekannte ungerechtfertigte Verurteilung einer Frau in der Geschichte der
Vereinigten Staaten - mehr als 43 Jahre.

Die Frau wurde 1980 für den Mord an einer 31-Jährigen in deren Wohnung in
St. Joseph verurteilt. "Der einzige Beweis, der Hemme mit dem Verbrechen in
Verbindung bringt, sind ihre eigenen widersprüchlichen, nicht bewiesenen
Aussagen, Aussagen, die gemacht wurden, als sie sich in einer psychiatrischen
Krise befand und körperliche Schmerzen hatte", schrieb Richter Horsman in dem
Bericht. Sie habe weder ein Tatmotiv gehabt noch gebe es forensische
Beweismittel.

Allerdings habe sie sich etwa zwei Wochen nach der Tat selbst beschuldigt,
den Mord alleine begangen zu haben, schrieb "Kansas City Star" im Juni 2023. Sie
sei sich aber im selben Moment nicht sicher gewesen und habe den Ermittlern
gesagt, sie glaube, sie habe die Frau mit einem Jagdmesser niedergestochen und
hinzugefügt: "Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht."

Hemmes Anwälte hatten dem Bericht zufolge vorgebracht, dass sich die Frau
zum Zeitpunkt ihrer Befragung in einer psychischen Krise befand und so stark
unter Medikamenteneinfluss stand, dass sie nicht einmal ihren Kopf hochhalten
konnte. Hingegen waren bei dem Polizisten unter anderem Ohrringe des Opfers
gefunden worden, was die Ermittler aber nicht an Hemmes Anwälte weitergaben, wie
der Sender KCTV berichtete. Zudem seien die Nachforschungen gegen ihn nicht
weiter verfolgt und Informationen über seine kriminelle Vergangenheit
zurückgehalten worden. Richter Horsman stellte ferner fest, dass Hemmes damalige
Verteidigung es versäumt habe, Beweise für ihre psychische Belastung und
Verwirrung vorzulegen, so KCTV./aae/DP/men

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