25.06.2024 10:41:06 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Wikileaks-Gründer Assange einigt sich mit den USA

LONDON/BANGKOK (dpa-AFX) - Julian Assange hat im jahrelangen Streit um seine
Auslieferung einen Deal mit den USA geschlossen und kommt auf freien Fuß. Der
Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks soll sich vor einem US-Gericht wegen
Spionage schuldig bekennen und zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt werden.
Das entspricht der Zeitspanne, die der Whistleblower in London bereits in einem
Hochsicherheitsgefängnis saß.

Im Gegenzug bleibt dem 52-Jährigen eine weitere Haft in den USA erspart, die bisher seine Auslieferung verlangt hatten. Stattdessen soll Assange umgehend
freigelassen werden und dann in seine Heimat Australien reisen. Das geht aus
US-Gerichtsdokumenten hervor. Seine Ehefrau bestätigte die Abmachung. Ihr
Ehemann werde sich in einem Anklagepunkt im Zusammenhang mit dem
US-Spionagegesetz schuldig bekennen, sagte Stella Assange am Dienstag der BBC.

Unbemerkte Ausreise aus Großbritannien

Dass ein solcher Deal den Schlusspunkt unter den Fall Assange setzen würde,
war seit einigen Monaten spekuliert worden. Der Zeitpunkt kommt dennoch
überraschend. Unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde Assange am Montag aus dem
Gefängnis Belmarsh in London entlassen und zum Flughafen Stansted gebracht. Ein
Video, das Wikileaks in der Nacht zum Dienstag veröffentlichte, zeigt, wie der
Australier in Hemd und Jeans, eine Brille ins Haar geschoben, den Jet bestieg.

Die USA werfen ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes
Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen,
veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu
haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen des Aufdeckens von
US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington. Bei einer Verurteilung
ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage
bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Gerichtstermin im Westpazifik

Am Dienstagmittag (Ortszeit) landete die Maschine, in der Assange vermutet
wurde, auf einem Flughafen in Bangkok. Es wurde damit gerechnet, dass das
Flugzeug dort aufgetankt wird und dann auf die Nördlichen Marianen weiterfliegt.
Australischen Medien zufolge sollte die Maschine um 21.00 Uhr (Ortszeit) wieder
starten. Der Flug auf das entlegene US-Außengebiet im Westpazifik dauert
mindestens elf Stunden.

Dort soll Assange am Mittwochmorgen (Ortszeit) auf der Insel Saipan vor
einem US-Gericht erscheinen. In einem Brief des US-Justizministeriums an die
zuständige Richterin Ramona Manglona heißt es, der Ort sei gewählt worden, da
Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe
nahe an Australien liege.

Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig
bekennen werde, hieß es in dem Brief des US-Top-Beamten Matthew J. McRenzie. Im
Anschluss solle der Australier in seine Heimat weiterreisen.

Familie wartet in Australien

Wikileaks teilte auf X mit, es habe lange Verhandlungen mit dem
US-Justizministerium gegeben. Nach mehr als fünf Jahren "in einer zwei mal drei
Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war", werde Assange
aber bald wieder mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern vereint
sein, "die ihren Vater bislang nur hinter Gittern kennen".

Seine Ehefrau wartete in Australien auf Assange. Stella Assange
veröffentlichte bei X ein Foto, das den Angaben zufolge in Sydney aufgenommen
wurde und ein Videotelefonat mit ihrem Ehemann vom Flughafen Stansted zeigt.

Assanges Gesundheit hat Priorität

"Ehrlich gesagt ist es einfach unglaublich, es fühlt sich an, als wäre es
nicht real", sagte Stella Assange in dem BBC-Interview. Die vergangenen Tage
hätten einen Sturm der Gefühle ausgelöst. Sie habe noch keine Zeit gehabt zu
besprechen, was das Paar nach der Freilassung tun werde. Priorität habe, dass
ihr Ehemann "wieder gesund wird - er ist seit fünf Jahren in einem schrecklichen
Zustand". Seine Unterstützer hatten wiederholt die schlechte Gesundheit des
Wikileaks-Gründers beklagt.

Assanges Eltern dankten den Unterstützern, die sich jahrelang für ihren Sohn eingesetzt hatten. "Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich
ein Ende findet", zitierte der australische Sender ABC am Dienstag aus einer
Mitteilung von Christine Assange. "Das zeigt, wie wichtig und mächtig stille
Diplomatie ist." Vater John Shipton sagte der ABC: "Soweit ich es verstehe, wird
Julian ein normales Leben mit seiner Familie und seiner Frau Stella führen
können."

Australiens Regierungschef Albanese begrüßte Assanges Freilassung. "Durch
seine fortgesetzte Inhaftierung ist nichts zu gewinnen, und wir wollen, dass er
nach Australien zurückgebracht wird", sagte er. "Wir haben uns für die
Interessen Australiens eingesetzt und alle geeigneten Kanäle genutzt, um ein
positives Ergebnis zu erzielen."

Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence kritisierte hingegen die Regierung
von US-Präsident Joe Biden. "Julian Assange hat das Leben unserer Soldaten in
Kriegszeiten gefährdet und hätte im vollen Umfang des Gesetzes strafrechtlich
verfolgt werden müssen", schrieb Pence bei X./bvi/DP/tih

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