01.07.2024 12:57:34 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Machtkampf in Frankreich: Front gegen Sieg von Le Pen

(neu: Aktualisiert mit vorläufigem Endergebnis.)

PARIS (dpa-AFX) - Nach dem Wahlerfolg des Rassemblement National (RN) in
Frankreich wollen Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager mit einer
gemeinsamen Front eine rechtsnationale Regierung verhindern. Die Partei um
Marine Le Pen und Verbündete können nach der ersten Runde der Parlamentswahl
damit rechnen, stärkste Kraft im Unterhaus zu werden. Sie hoffen gar darauf, bei
den Stichwahlen am kommenden Sonntag die absolute Mehrheit in der
Nationalversammlung zu holen.

Nach vorläufigem Endergebnis erzielten sie 33,15 Prozent der Stimmen, wie
das Innenministerium mitteilte. Das Linksbündnis lag demnach bei 27,99 Prozent,
während das Lager von Präsident Emmanuel Macron auf 20,04 Prozent kam. Die
bürgerliche Rechte landete bei 10,23 Prozent.

Damit dürften die Rechtspopulisten Prognosen zufolge im Unterhaus mit 230
bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen
schrammen sie aber womöglich knapp vorbei.

Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht,
auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.

Kandidaten ziehen aus taktischen Gründen zurück

Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird erst in den Stichwahlen entschieden. Sowohl aus dem Linksbündnis als auch von Macrons
Partei hieß es, man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz
gelandet sei, zugunsten der Kandidatinnen und Kandidaten zurücktreten, die in
der Lage sind, das Rassemblement National zu schlagen.

Premier Gabriel Attal, der um seinen Posten bangen muss, mahnte am Sonntag:
"Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem
Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden." Es sei eine
moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern.

Le Pen rief hingegen dazu auf, ihrer Partei bei den Stichwahlen zu einer
absoluten Mehrheit zu verhelfen. "Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist
entscheidend." RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten
Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.

Rechtsruck hätte international Folgen

Sollte das RN tatsächlich die absolute Mehrheit holen, wäre Macron faktisch
gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechtsnationalen zu ernennen. Denn
das Unterhaus kann die Regierung stürzen. Während die Anhänger des RN auf den
Machtwechsel hoffen, fürchtet ein Großteil der Franzosen sich vor einer
Machtübernahme der Rechtsnationalen. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende
Menschen in Paris und etlichen anderen Städten gegen die extreme Rechte.

Deutschland und Europa müssten sich in dem Fall darauf einstellen, dass das
gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird. Als
Präsident hat zwar Macron in der Außenpolitik Vorrang. Sollte aber der
28-jährige Bardella Premier werden, dürfte er seine Linie schwerlich ungehindert
fortsetzen können. Statt neuen Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung auf
der Tagesordnung.

Im Gegensatz zu Macron gibt das RN wenig auf die enge Zusammenarbeit mit
Deutschland. Auch möchte die Partei den Einfluss der Europäischen Union in
Frankreich eindämmen.

Frankreich droht Stillstand

Sollten sich die aktuellen Prognosen hingegen bewahrheiten und keines der
Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen
Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen
politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen könnten.

Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art
Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden.
Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue
Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg
bringen./rbo/DP/men

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