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01.07.2024 13:40:59 - dpa-AFX: ROUNDUP: Armutsgefährdung: Jedes siebte Kind und Jugendlicher bedroht

WIESBADEN (dpa-AFX) - Rund jedes siebte Kind und jeder siebte Jugendliche
war im vergangenen Jahr armutsgefährdet. Etwa 2,1 Millionen unter 18-Jährigen
entspreche einer Armutsgefährdungsquote von 14 Prozent, wie das Statistische
Bundesamt mitteilte. Die Quote war dabei gegenüber dem Vorjahr leicht
rückläufig, 2022 waren noch 15 Prozent der Minderjährigen armutsgefährdet.

Armut ist laut Bundesamt ein mehrdimensionales Phänomen und kann sich nicht
nur in finanziellen, sondern auch in sozialen Faktoren niederschlagen. Im Jahr
2023 war demnach sogar knapp jede oder jeder vierte unter 18-Jährige in
Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Insbesondere der Bildungsabschluss der Eltern spiele eine Rolle, erklärten
die Statistiker. "Die Armutsgefährdungsquote von unter 18-Jährigen, deren Eltern
über einen niedrigeren Bildungsabschluss wie einen Haupt- oder
Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss verfügten, lag 2023 in Deutschland
bei 36,8 Prozent", hieß es. Bei Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss wie
Abitur oder einer Berufsausbildung waren rund 14,3 Prozent der Kinder gefährdet.
Hatten die Eltern einen höheren Bildungsabschluss wie einen Meistertitel oder
ein absolviertes Studium, lag die Quote nur noch bei 5,8 Prozent.

Entwicklung ist kein Grund zum Aufatmen

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die aktuellen Zahlen hingegen für
eine "massiv alarmierende Nachricht". Kinderarmut stagniere im Großen und
Ganzen. In einem so wohlhabenden Land wie in Deutschland könne es nicht sein,
dass jedes vierte Kind diese Hypothek im Kinder- und Jugendalter zu tragen habe,
sagte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der dpa. Er forderte
dringlichst politische Maßnahmen: "Kein Kind ist allein in Armut, sondern das
ist immer im Familienkontext. Das heißt, wir brauchen auch eine Verbesserung der
Einkommenssituation von Familien insgesamt."

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker wertete die Zahlen auf den
ersten Blick als positive Entwicklung. Politische Stellschrauben wie
Inflationsausgleichszahlungen oder die Erhöhung des Mindestlohns 2022 könnten
sich positiv auf die Quote ausgewirkt haben. Dennoch verweist sie auf den realen
Einkommensrückgang, gerade bei armutsgefährdeten Familien: "Wer direkt an der
Armutsschwelle lebt, hat quasi weniger als real, weniger als 2020", sagte sie.
"Also die ganzen Maßnahmen und Eingriffe und Versuche der Politik da
gegenzusteuern, haben eben diesen Preisauftrieb in 2022 nicht gänzlich abfedern
können."

Gerade im "Armutsbereich" sei es für Familien besonders schlimm, "weil diese Menschen eben keine Polster haben, wo sie mal auf Ersparnisse zurückgreifen
können, um die Preissteigerung abzufedern." das bedeute letztlich real weniger
Lebensmittel oder andere alltägliche Dinge - auch für die Kinder und
Jugendlichen in diesen Familien.

Deutschland im Vergleich im Mittelfeld

Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren
Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Im Jahr 2023 lag dieser Wert für eine
alleinlebende Person in Deutschland bei 1314 Euro netto im Monat, für zwei
Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren es 2759 Euro netto im Monat.

Das Bundesamt geht von Armut oder sozialer Ausgrenzung aus, wenn eines oder
mehrere der drei Kriterien Armutsgefährdung, erhebliche materielle Entbehrung
oder Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung vorliegen. Es orientiert sich
damit an einer europaweiten Vorgabe, was die Daten vergleichbar macht.

Demnach liegt Deutschland mit seinem Anteil von 23,9 Prozent Betroffenen
zwar unter dem europäischen Schnitt von 24,8 Prozent - aber hinter Staaten wie
Slowenien (10,7 Prozent), Tschechien (15,0 Prozent), Dänemark (15,3 Prozent)
oder Kroatien (17,3 Prozent). Weitaus schlimmer ist die Situation beispielsweise
in Rumänien, wo der Anteil betroffener Kinder und Jugendlicher bei 39 Prozent
liegt. Auch Spanien (34,5 Prozent) oder Frankreich (26,6 Prozent) liegen demnach
hinter Deutschland./lfo/DP/jha

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