15.07.2024 10:45:34 - dpa-AFX: Börse Frankfurt-News: Hohes Maß an positiven Überraschungen nötig (Wochenausblick)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Obwohl am Donnerstag die Europäische
Zentralbank tagt, liegt der Fokus der Anlegerinnen und Anleger in dieser Woche
eindeutig auf der gerade angelaufenen Berichtssaison. Analysten rechnen dabei
nicht mit einem neuen Schub für die Märkte.

15. Juli 2024. Eine weitere Veränderung der Leitzinsen dürfte es in der Eurozone
zunächst noch nicht geben. "Nach der Senkung des Einlagensatzes im Juni von 4,00
Prozent auf 3,75 Prozent wird die Notenbank ihren Leitzins wohl im Juli nicht
erneut senken", schreiben die Analysten der Commerzbank und liegen damit voll im
allgemeinen Meinungstrend. Als Argumente gegen den nächsten Zinsschritt werden
die immer noch recht hohe Kerninflation und der anhaltende Lohnanstieg in der
Eurozone angeführt.

In den USA hingegen hatten die Inflationsdaten in der vergangenen Woche neue
Zinssenkungsfantasien entfacht und damit für gute Stimmung an den Aktienmärkten
gesorgt. Die großen Indizes stiegen im Wochenverlauf allesamt auf neue
Allzeithochs. Der DAX schloss am Freitag bei 18.748 Punkten und erzielte damit
ein Wochenplus von 1,5 Prozent. Am Montagmorgen liegt der deutsche Aktienindex
nach schwachen Konjunkturdaten aus China rund 60 Punkte niedriger.

Gewinnwachstum von 7 Prozent erwartet

Die Berichtssaison in den USA startete zum Ende der abgelaufenen Woche
traditionell mit den Quartalszahlen der ersten Großbanken. Dabei erlitten alle
Branchenplayer trotz zumeist guter Ergebnisse Kursverluste. Ein Warnsignal? Die
Analysten der Helaba sind sich auf jeden Fall sicher, dass in den kommenden
Wochen "ein hohes Maß an positiven Überraschungen nötig ist, um die zumindest
optisch hohe Bewertung des S&P 500 zu rechtfertigen". Nach Berechnung der
Commerzbank, wird von den Unternehmen ein Gewinnwachstum von 7 Prozent erwartet,
wobei die großen US-Technologieaktien die Berichtssaison mit einem Plus von mehr
als 20 Prozent erneut dominieren dürfte.

Dass die Zahlen in den USA in den meisten Fällen tatsächlich über den
Erwartungen liegen, hängt nach Recherchen der LBBW auch damit zusammen, dass die
Schätzungen im Vorfeld der Bilanzsaison regelmäßig nach unten geschraubt werden:
"Die Unternehmen haben Übung darin, die Analysten nach unten zu guiden. Hinter
diesem Manöver steckt aktives Erwartungsmanagement. Die bewusst tiefer gelegte
Latte lässt sich hinterher einfacher überspringen". Aktuelles Beispiel: Für das
abgelaufene Quartal liegen die Erwartungen an den aggregierten Quartalsgewinn
des S&P 500 aktuell nur noch bei 50,55 Indexpunkten, während Anfang des Jahres
noch 53,41 und Anfang April 52,88 Punkte prognostiziert wurden.

Wachstumsdelle bei Tech-Giganten in Sicht

Unabhängig davon, ob die US-Blue-Chips die reduzierten Schätzungen diesmal
wieder übertreffen (was die letzten drei Quartale übrigens nicht gelang), dürfte
ihre Gewinndynamik nach Ansicht der Analysten "in der Tendenz weiter
schrumpfen". Sie stellen deshalb die "bange Frage", wie viel Wachstumsrückgang
die Anlegerinnen und Anleger tolerieren werden, ohne dass sie die hiervon
betroffenen Werte im Kurs abstrafen?

Ganz aktuell sieht die LBBW zudem ein erhöhtes Risiko, dass die Rally der
Tech-Megacaps analog zu den Q1-Zahlen aus Furcht vor möglicherweise
enttäuschenden Zahlen schon im Vorfeld der Bekanntgabe zumindest temporär
pausieren wird. Und die Kollegen der Commerzbank fürchten, dass selbst
größtenteils über den Erwartungen liegende Zahlen die Aktienkurse nicht stark
nach oben treiben dürften. Sie verweisen dabei auf die "bereits sehr
optimistische Positionierung der Investoren und die recht hohe Bewertung von
US-Aktien".

Prominente US-Unternehmen, die ihre Bücher in dieser Woche öffnen, sind Goldman
Sachs, Bank of America, Morgan Stanley, Johnson & Johnson, Netflix und American
Express. In Europa legen u.a. Nordea, Richemont, ASML, Rio Tinto, Nokia, BHP
Group, Anglo American und Burberry ihre Zahlen vor. Im DAX startet die
Berichtssaison am Freitag mit Sartorius.

Technisches Bild mach Hoffnung für den DAX

Aus technischer Sicht stehen die Börsenampeln weiter auf Grün. Charttechniker
Marcel Mußler zeigt sich vor allem mit der Entwicklung des deutschen Aktienindex
in der abgelaufenen Woche sehr zufrieden. "Der DAX hat jetzt seinen Sommerswing
gestartet und weiter freie Bahn", schreibt der erfahrene technische Analyst in
seinem Wochenausblick. Nach dem dynamischen und auch schon ausreichend
nachhaltigen Ausbruch über das vorletzte mittelfristige Hoch vom April bei
18.567 Punkten ist ein neues Allzeithoch über 18.893 Punkten seiner Ansicht nach
"nur die minimale Pflicht". Als "Kürpotential" und perspektivisches Kursziel
bezeichnet er das obere Ende eines im Wochenchart gerade neu entstandenen
Aufwärtstrendkanals, das aktuell bei 19.240 Punkten verläuft. Das untere Ende
dieses Kanals (aktuell bei 18.050 Punkten) sollte aus Sicht der Bullen
allerdings nicht mehr unterschritten werden.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche

Montag, 15. Juli

11.00 Uhr. Eurozone: Industrieproduktion. Bei den Zahlen für den Mai rechnen
Volkswirte im Schnitt mit einem Rückgang von 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat
(minus 3,7 Prozent im Jahresvergleich). Die LBBW ist da mit einem
prognostizierten Minus von 2,0 Prozent sogar noch deutlich pessimistischer.

Dienstag, 16. Juli

11.00 Uhr. Deutschland: ZEW-Index. Die Konjunkturerwartungen hierzulande dürften
weiter schwach bleiben. Sowohl das wirtschaftliche als auch das politische
Umfeld geben wenig Anlass zur Hoffnung. Der Konsens rechnet beim ZEW-Index daher
mit einem Rutsch von 47,5 auf nur noch 42,8 Punkte. Die Helaba befürchtet sogar
einen Wert von nur 41,0 Punkten.

14.30 Uhr: USA: Einzelhandelsumsätze. Die Analysten der Commerzbank rechnen mit
einem Rückgang um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat, wodurch die Diskussionen
zunehmen dürften, ob die US-Konjunktur in eine Wachstumsdelle gerutscht ist.

Mittwoch, 17. Juli

20.00 Uhr. USA: Veröffentlichung Fed Beige Book. Durch den Konjunkturbericht der
Federal Reserve erhoffen sich Marktteilnehmer mögliche Hinweise zum Zeitpunkt
der Leitzinswende in den USA. Aktuell wird die erste Zinssenkung für September
erwartet.

Donnerstag, 18. Juli

14.15 Uhr. Eurozone: EZB-Zinsentscheid. In der Eurozone wird es diese Woche in
Sachen Leitzinsen bereits konkret. Bei der anstehenden EZB-Sitzung soll es laut
Volkswirten aber keine weitere Anpassung geben. Mit einer verhalten
optimistischen Beschreibung des Inflationsausblicks und der Einstufung der
aktuellen Geldpolitik als restriktiv dürfte die EZB nach Ansicht der Deka
weitere Senkungen andeuten, sich dabei aber erneut nicht auf einen konkreten
Pfad festlegen.

Freitag, 19. Juli

08.00 Uhr: Deutschland: Erzeugerpreise. Das Preisniveau hierzulande dürfte sich
im Juni auf Seiten der Prouduzenten wie schon im Mai gegenüber dem Vormonat
nicht oder nur moderat (0,1 bis 0,2 Prozent aufwärts) verändert haben.

Von Thomas Koch, 15. Juli 2024 © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die
Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder
anderen Vermögenswerten.)

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH