26.05.2024 14:33:57 - dpa-AFX: SPORT/Selbst Merckx war schlechter: Pink-King Pogacar beherrscht den Giro

LEIPZIG/ROM (dpa-AFX) - Tadej Pogacar verneigte sich nach seiner nächsten
Demütigung der hilflosen Konkurrenz vor den feiernden Tifosi und holte sich als
Triumphator des 107. Giro d'Italia den Belohnungskuss von seiner Verlobten Urska
Zigart ab. Vor der abschließenden Ehrenrunde in Rom demonstrierte der
slowenische Radstar auf der letzten Bergetappe noch einmal seine Unantastbarkeit
und sicherte sich den sechsten Tagessieg. Das war bei einem einzigen Giro noch
nicht einmal Eddy Merckx gelungen.

"Vielleicht war der Sieg heute nicht nötig gewesen, aber ich wollte ihn für
mich und mein Team", sagte Pogacar. Und wenn der 25-Jährige in diesen drei
Wochen des Giro etwas wollte, dann nahm er es sich einfach. Sagenhafte 9:56
Minuten trennten Pogacar vom zweitplatzierten Daniel Martinez, Kapitän des
deutschen Teams Bora-hansgrohe. Seit 1965 hat es keinen größeren Vorsprung
gegeben, in der Nachkriegszeit ohnehin erst drei.

Nächstes Ziel: Tour-Sieg

Dabei ist mit dem Sieg bei der Italien-Rundfahrt für Pogacar nur die Hälfte
der Arbeit erledigt. Vor knapp einem halben Jahr hatte das Wunderkind des
Radsports verlauten lassen, er wolle versuchen, den Giro und die Tour zu
gewinnen. Zuletzt war das Italiens Ikone Marco Pantani 1998 gelungen, in der
heutigen Zeit wird solch eine Aufgabe eigentlich als unlösbar angesehen.

Dass Pogacar den Giro wohl gewinnen wird, wenn er ohne Sturz und Krankheit
bleibt, war schon vor dem Start in Turin klar. Schließlich konzentrierte sich
der Rest der weltbesten Rundfahrer auf die Tour de France. Und so war allgemein
erwartet worden, dass Pogacar in den Verwaltungsmodus gehen würde, sobald er ein
beruhigendes Polster auf den Zweitplatzierten herausgefahren hatte. Ein massiver
Irrglaube.

Der übertalentierte Alleskönner aus Komenda gewann einfach, wie es ihm
gefiel. "Ein Sieg ist ein Sieg, auch wenn es nur mit einer Sekunde ist. In
diesem Giro geschah es eben einfach so", sagte Pogacar. Am Ende habe er das
Rennen einfach mit hoher Moral und guten Beinen beenden wollen. "Es sollte ein
guter Test für den Sommer werden. Das ist mir gelungen, deshalb bin ich
glücklich."

Trainerwechsel im Winter

Die Chancen auf das Double sind nach der italienischen Demonstration sogar
noch gestiegen. Nicht allein wegen der Verfassung, in der sich Pogacar befindet.
Dass die härtesten Konkurrenten Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Primoz
Roglic Anfang April geschlossen stürzten, spielt ihm zusätzlich ins Blatt.
Evenepoel und Roglic starten kommende Woche bei der Dauphiné, der klassischen
Tour-Generalprobe. Ob der zweimalige Tour-Sieger Vingegaard überhaupt dabei ist,
ist völlig offen.

Nach so einer langen Verletzungspause ist es ohnehin fraglich, ob der Däne
Pogacar gewachsen wäre. Dieser scheint noch einmal einen Entwicklungssprung
gemacht zu haben, was angesichts seiner Qualitäten eigentlich unmöglich schien.
Im Frühjahr gewann er das schwere Schotterrennen Strade Bianche mit einem 81
Kilometer langen Solo, nun folgte der überlegene Triumph beim Giro.

Ein Trainerwechsel im Winter soll der Auslöser zur nächsten Leistungsstufe
gewesen sein. Nach fünf Jahren trennte sich Pogacar von Iñigo San Millán und
wechselte zu dessen spanischen Landsmann Javier Sola. Dieser hat in seinem
Profil auf der Plattform X "Human performance" stehen. "Menschliche Leistung".
Der Konkurrenz dürfte sie eher außerirdisch vorkommen. Oder wie Geraint Thomas,
mit seinen 38 Jahren beachtlicher Dritter des Giro, kommentierte: "Er ist der
Beste, mit dem ich je gefahren bin. Es ist irrsinnig, wie talentiert er ist. Was
die physische Begabung angeht, ist er einzigartig."/bat/DP/he

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