14.05.2024 16:09:37 - dpa-AFX: ROUNDUP: Widerspruch gegen Betriebsgenehmigung für LNG-Terminal auf Rügen

BERLIN/MUKRAN (dpa-AFX) - Wie die Gemeinde Binz hält auch die Deutsche
Umwelthilfe ihren Widerstand gegen das umstrittene Flüssigerdgas-Terminal im
Hafen von Mukran auf Rügen aufrecht. Die Umweltschutz-Vereinigung hat nach
eigenen Angaben Widerspruch gegen die Betriebsgenehmigung für die beiden zur
Anlandung von Flüssigerdgas (LNG) eingesetzten Spezialschiffe eingelegt. Sollte
das zuständige Staatliche Umweltamt in Stralsund den Widerspruch abweisen, folgt
eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, wie aus einem am
Dienstag verbreiteten Schreiben der Umwelthilfe hervorgeht.

Ein Sprecher des Umweltministeriums in Schwerin bestätigte den Eingang des
Widerspruchs beim Umweltamt Vorpommern. Eine Entscheidung dazu werde innerhalb
der gesetzten Frist von maximal drei Monaten erfolgen.

Das Ostseebad Binz hatte bereits im Eilverfahren beim
Bundesverwaltungsgericht Antrag gegen den Betrieb des LNG-Terminals in
unmittelbarer Nähe zu viel besuchten Badeorten im Osten Rügens gestellt. Das
Terminal widerspreche mit gravierenden Sicherheitsrisiken in derartiger Nähe zu
Wohn- und Kurgebieten deutschen und internationalen Sicherheitsstandards, hieß
es zur Begründung. Per Zwischenverfügung sollte die für Mitte Mai geplante
Inbetriebnahme bis zu einer endgültigen Entscheidung der Richter untersagt
werden. Eine Entscheidung steht nach Angaben des Gerichts aber noch aus.

Auch nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe ist der Schutz von Natur und
Bevölkerung weiterhin nicht gewährleistet. Die Betreiberfirma Deutsche Regas
habe es versäumt, Gefährdungsszenarien systematisch zu ermitteln und zu
bewerten. Die durch das Umweltamt ausgestellte Betriebsgenehmigung sei
lückenhaft, da Brand- oder Explosionsrisiken nicht ausreichend berücksichtigt
würden, beklagt die Umwelthilfe. Zudem sei der Klimaschaden, der durch den
Betrieb des Ostsee-Terminals eintrete, immens.

Die Deutsche Regas hatte die Vorwürfe der Umwelthilfe und der Gemeinde Binz
stets zurückgewiesen. Die von der Gemeinde vorgebrachten Gutachten etwa träfen
mehrfach falsche Aussagen, hieß es. So bestehe für Lieferschiffe im Hafen genug
Platz für Wendemanöver in ausreichend Abstand zu den beiden Spezialschiffen, die
das verflüssigte Gas aufnehmen, wieder gasförmig machen und in das deutsche
Leitungsnetz einspeisen. Diese Standardmanöver seien im Rahmen der Genehmigung
mit unterschiedlichem Wetter erfolgreich simuliert worden, hatte Regas
mitgeteilt.

Die Deutsche Umwelthilfe bezweifelt den Bedarf an einem weiteren
Anlandepunkt für Flüssigerdgas in Deutschland. "Die Terminalschiffe werden nicht
benötigt, denn eine Gasmangellage ist schon seit Langem nicht mehr gegeben",
sagte Verbandsgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Der Schaden am Klima und
den sensiblen Meeresschutzgebieten vor Rügen aber sei enorm. Allein die
Verbrennung des importierten Gases würde jedes Jahr weit mehr CO2 ausstoßen als
ein großes Kohlekraftwerk. Dazu komme, dass das importierte Gas zum Großteil
mittels Fracking abgebaut werde und so bereits in der Produktion riesigen
Schaden für Mensch und Natur anrichte.

Nach Ansicht der Regas-Geschäftsführung entbehren die Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe jeder Substanz. Die von der Umwelthilfe für den Betrieb der
sogenannten Regasifizierungsschiffe genannten CO2-Emissionen seien nicht
nachvollziehbar. "Außerdem unterliegt dem Betrieb am Energie-Terminal "Deutsche
Ostsee" ein umfängliches Sicherheitskonzept, das alle möglichen Szenarien
präventiv berücksichtigt und im Rahmen des Genehmigungsprozesses geprüft und
genehmigt wurde", heißt es in der Entgegnung weiter. Das Sicherheitskonzept
werde durch die Behörden fortlaufend überprüft. "Von einer "lückenhaften
Genehmigung" ist deshalb nicht zu sprechen", betont Regas.

Ende April hatten die Deutsche Umwelthilfe und der Naturschutzbund
Deutschland im Kampf gegen das Terminal eine Niederlage vor dem
Bundesverwaltungsgericht einstecken müssen. Klagen gegen die Anbindungspipeline,
die von Mukran durch die Ostsee bis zum Gasleitungsknotenpunkt Lubmin bei
Greifswald verläuft, waren abgewiesen worden.

Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte der Bund die
Errichtung einer eigenen Importinfrastruktur für Flüssigerdgas forciert, um
unabhängiger von russischem Gas zu werden. Planungen und Bau der Terminals an
Nord- und Ostsee wurden durch das LNG-Beschleunigungsgesetz erheblich abgekürzt,
unter anderem durch den Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung.

Das Terminal auf Rügen hat im März den Probebetrieb aufgenommen und
inzwischen auch eine Genehmigung für den Regelbetrieb erhalten. Wann genau
dieser aufgenommen wird, ist noch unklar. Das Spezialschiff "Energos Power" zur
Umwandlung des Flüssigerdgases liegt bereits in Mukran, das zweite, die zuvor in
Lubmin eingesetzte "Neptune" soll nach einer technischen Anpassung auf einer
Werft in Kürze nach Mukran verlegt werden, wie es hieß./fp/DP/men

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