13.05.2024 06:34:50 - dpa-AFX: Klimasatellit 'Earthcare' scannt Atmosphäre - 'Das hat sonst keiner'

DARMSTADT (dpa-AFX) - Auf Dutzenden Monitoren flimmern Zahlenreihen und
Tabellen. Aus dem Keller werden Fehler- und Gefahrenmeldungen an die
Spezialisten geschickt. Weltraumschrott oder Sandstürme, im Notfall muss schnell
reagiert werden. Seit Wochen trainieren Mitarbeiter der Europäischen
Raumfahrtbehörde Esa im Kontrollzentrum in Darmstadt für den für Ende Mai
geplanten Start des neuen Erdbeobachtungssatelliten "Earthcare". Mit der Mission
sollen global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung
auf die Atmosphäre und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen ermöglicht
werden. "Das hat sonst keiner", sagt Nicolaus Hanowski von der Esa-Direktion für
Erd- und Umweltbeobachtung in Frascati bei Rom.

Neue Dimension bei der Erdbeobachtung

""Earthcare" ist einer der aufwändigsten Earth-Explorer, die wir haben",
sagt Hanowski. Erstmals solle damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten
Höhenprofil erstellt werden können. "Die europäisch-japanische
Erdbeobachtungsmission "Earthcare" wird unser Verständnis zu Klima- und
Wetterphänomenen maßgeblich vorantreiben", heißt es beim Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR), das in die Mission eingebunden ist.

Ziel der Mission und der Messungen sei zu verstehen, wie sich die Atmosphäre im gesamten Höhenprofil verhalte, so Hanowski. Dabei gehe es um die dynamischen
Bewegungen, um physikalische und chemische Eigenschaften und wie sich die
Atmosphäre global zeitlich verändere. Das könne man auch mit einem Wetterballon
machen, aber dann bekäme man nur ein punktuelles Bild, quasi eine Säule. "Wir
machen die Säule dreidimensional, indem wir die komplette Erdoberfläche
untersuchen", sagt der Esa-Spezialist über die bislang gut 500 Millionen Euro
teure Mission mit ihren vier Instrumenten an Bord.

Neue Möglichkeiten für Wettervorhersagen

"Die Daten, die da gesammelt werden, werden von verschiedenen Organisationen genutzt, um Wettervorhersagen konkret zu optimieren", sagt Hanowski. So könnten
voraussichtlich auch Unwetter wie die tödliche Flutkatastrophe 2021 im Kreis
Ahrweiler besser vorhergesagt werden. Kurzfristige Warnungen vor derartigen
Ereignissen seien indes auch mit den neuen Daten nicht möglich. Es gehe darum,
die Vorhersagen zu verbessern, und dazu sei ein Verständnis für die Dynamik von
Wolken, Tiefdruckgebieten und der Atmosphäre nötig. Mit aus den Daten gewonnenen
Klimamodellen könnten vielleicht auch drohende Dürren prognostiziert werden.
Doch: "Wir wissen zu wenig über die Wechselwirkung zwischen Sonneneinstrahlung
und den verschiedenen Schichten der Atmosphäre."

Die Instrumente an Bord von "Earthcare" (Earth Cloud Aeorosol and Radiation
Explorer) sollen nun Dichteprofile, Wassergehalt von Wolken, die chemische
Zusammensetzung oder auch die Art der Moleküle messen und erfassen, um so
Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und der Sonnenstrahlung zu
untersuchen. Die daraus erstellten umfassenden Modelle sind Hanowski zufolge
sehr wertvoll: "Da hat man alles im Kontext."

Hochkomplexe Instrumente an Bord

Wenn seine Solarpanele ausgeklappt sind, ist der Orbiter dem DLR zufolge
rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Die Instrumente an Bord
würden Lichtimpulse senden und die reflektierten Signale analysieren. Die
japanische Raumfahrtbehörde Jaxa habe ein Wolkenprofilradar beigesteuert, mit
dem das Innenleben von Wolken untersucht werden könne. Zudem gebe es ein
Instrument, das hochauflösende Bilder im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum
mache. Das vierte Instrument messe die reflektierte Sonnenstrahlung und die von
der Erde ausgehende Wärmestrahlung.

Drei Schritte für einen erfolgreichen Start

Bis zum Start mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX im
kalifornischen Vandenberg bereitet sich der Leiter des Kontrollzentrums in
Darmstadt, Simon Plum, mit seinen Teams vor: "Wir trainieren auch den Ausfall
des Kontrollzentrums." Im Notfall müssten schnell Entscheidungen getroffen
werden. Für den rund zwei Tonnen schweren Satelliten ist auch ein reibungsloser
Beginn der Mission wichtig. Plum zufolge gibt es drei Schritte, die auf dem Weg
dorthin klappen müssen: zum einen der Start selbst, dann die Ausrichtung der
Solarpanele zur Sonne zur Energiegewinnung und schließlich das Herstellen der
Kommunikation mit dem Orbiter. Geht hier etwas schief, wird es im
Kontrollzentrum am Starttag nicht heißen "We have a mission"("Wir haben eine
Mission")./opi/DP/zb

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