14.05.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP/Netanjahu: 'Der Krieg wütet weiter' - Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat zum
Unabhängigkeitstag seines Landes Entschlossenheit im Krieg gegen die
islamistische Hamas im Gazastreifen betont. "Der Krieg wütet weiter", sagte er
am Montagabend in einer Videoansprache. Die Armee lieferte sich an dem Tag
erneut vom Norden bis in den Süden heftige Kämpfe. Nach Angaben der Vereinten
Nationen wurde unterdessen erstmals ein internationaler UN-Mitarbeiter im
Gazastreifen getötet. Er sei bei einem Angriff auf sein Fahrzeug auf dem Weg zu
einem Krankenhaus im abgeriegelten Küstenstreifen ums Leben gekommen, sagte ein
Sprecher am Montag. Ein weiterer Mitarbeiter sei verletzt worden. Hintergründe
des Vorfalls wie auch die Nationalität der Opfer blieben zunächst unklar. Die
US-Regierung nahm die israelische Führung derweil vor Anschuldigungen in Schutz,
sie begehe im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen einen Völkermord an
Palästinensern.

Familien der Geiseln: Unsere Hoffnung ist noch nicht verloren

Währenddessen erinnerten am Vorabend des Unabhängigkeitstages bei einer
Kundgebung in Tel Aviv nach Angaben der Veranstalter rund 100 000 Menschen an
das Schicksal der 132 Geiseln im Gazastreifen. Die Kundgebung stand unter dem
Motto "Unsere Hoffnung ist noch nicht verloren". Dabei gab es auch Proteste
gegen Netanjahu und seine Regierung. Vor dem Hintergrund der festgefahrenen
Verhandlungen über die Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln und eine
Waffenruhe sagte ein Redner der Kundgebung am Abend: "Die Regierung, die sie mit
höchster Wachsamkeit schützen sollte, hat kein Recht, über den Preis für ihre
Rückkehr zu sprechen. (...) Es gibt keinen Preis für das Leben der Geiseln."

Bericht: Vermittler wollen Verhandlungen über Waffenruhe fortsetzen

Die arabischen Vermittler hoffen derweil, die Kluft zwischen den beiden
Konfliktparteien zu verringern, wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf
ägyptische Beamte berichtete. Sie erwarteten, dass sie diese Woche in Doha, der
Hauptstadt von Katar, erneut zu Gesprächen zusammenkommen, wie es hieß. Eine
Verhandlungsrunde in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war vor Kurzem ergebnislos
verlaufen. Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln,
fungieren Ägypten, Katar und die USA als Vermittler. Derweil weitete die
israelische Armee ihre Angriffe im Gazastreifen wieder auf Gebiete aus, in denen
das Militär schon zuvor im Einsatz gewesen war. So lieferte sie sich am Montag
an verschiedenen Orten im Norden, im Zentrum und im Süden des abgeriegelten
Küstengebiets erneut heftige Gefechte, darunter auch in der an Ägypten
grenzenden Stadt Rafah.

UN: Fast 360 000 Menschen bereits aus Rafah geflohen

Seit dem Vorrücken der Armee in Rafah sind nach UN-Angaben fast 360 000
Menschen aus der mit Binnenflüchtlingen überfüllten Stadt geflohen. Israel übt
militärischen Druck auf die Hamas in Rafah aus, um die Freilassung der Geiseln
zu erreichen und vier Bataillone der Islamistenorganisation zu zerschlagen. "Wir
sind kurz davor, die verbleibenden Hamas-Bataillone zu zerstören", sagte
Netanjahu in einem am Sonntag aufgezeichneten Podcast. US-Außenminister Antony
Blinken bekräftigte nach Angaben eines Sprechers, die USA seien nach wie vor
gegen eine große Bodenoffensive in Rafah, wo bis vergangene Woche mehr als eine
Million Menschen Schutz vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht hatten.

Auslöser des Kriegs war das Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer
Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250
weitere als Geiseln und verschleppten sie nach Gaza. Im folgenden Krieg wurden
nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als
35 000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl
nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Die hohe Zahl ziviler
Opfer und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung
lösten international scharfe Kritik am Vorgehen Israels aus.

US-Regierung: Israel begeht keinen Völkermord

"Wir glauben nicht, dass das, was in Gaza geschieht, ein Genozid ist", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am
Montag in Washington. "Wir haben diese Behauptung stets entschieden
zurückgewiesen." Sullivan sagte, die USA hätten ihren Standpunkt zu dieser Frage
auch vor dem Internationalen Gerichtshof schriftlich und detailliert dargelegt.
Er betonte zugleich: "Wir glauben, dass Israel mehr tun kann und muss, um den
Schutz und das Wohlergehen unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten."

Israels Generalstabschef Herzi Halevi soll zuvor Medienberichten zufolge
beklagt haben, dass die Armee mangels einer politischen Strategie für die Zeit
nach dem Krieg immer wieder auch an Orten in Gaza kämpfen müsse, aus denen sie
sich bereits zurückgezogen hatte. Israel sei auf dem besten Weg, einen Aufstand
mit vielen bewaffneten Hamas-Kämpfern zu erben, sagte US-Außenminister Blinken
am Sonntag im US-Fernsehen. Es drohe ein Vakuum, das von Chaos, Anarchie und
wahrscheinlich von der Hamas wieder aufgefüllt werde.

Netanjahu: Israel im Kampf um seine Existenz

Netanjahu bezeichnete den Krieg am Montag bei der zentralen Zeremonie zum
Soldatengedenktag als Kampf um die Existenz seines Landes. Am Abend sagte er
anlässlich des Unabhängigkeitstages seines Landes in seiner Videoansprache:
"Obwohl es sich nicht um einen regulären Unabhängigkeitstag handelt, ist dies
für uns eine besondere Gelegenheit, uns der Bedeutung unserer Unabhängigkeit
bewusst zu werden". Unabhängigkeit, "uns aus eigener Kraft zu verteidigen",
sagte er. Der Ausgang des Kriegs wird nach Einschätzung seines
Verteidigungsministers Joav Galant das Leben der Israelis in den kommenden
Jahrzehnten bestimmen. "Dies ist ein Krieg ohne Alternative", sagte Galant.

"Dies ist ein Krieg, der weitergehen wird, bis wir unsere Geiseln
zurückbringen, die Herrschaft der Hamas und ihre militärischen Fähigkeiten
zerschlagen und dem Staat Israel sein Gedeihen und Schaffen und seinen Bürgern
das Lächeln auf ihren Gesichtern zurückgeben", sagte der Verteidigungsminister.
Bei der Kundgebung in Tel Aviv am Vorabend des Unabhängigkeitstages warf ein
Redner der Regierung Versagen vor, den Terrorangriff am 7. Oktober nicht
verhindert zu haben. "Wir sind von einer geeinten Gemeinschaft zu einer
zerbrochenen und trauernden geworden", sagte eine im Zuge eines Austauschs gegen
palästinensische Häftlinge freigekommene Geisel laut der Organisatoren der
Kundgebung./ln/DP/zb

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