28.06.2024 10:30:45 - dpa-AFX: EM 2024/Steigerung nötig: Italien will EM-Revanche am Sehnsuchtsort

BERLIN (dpa-AFX) - Für einen Stimmungsaufheller vor dem Achtelfinal-Showdown
gegen die Schweiz griff Luciano Spalletti zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Italiens
Nationalcoach öffnete das Training in Iserlohn kurzerhand für die Fans - und
zeigte sich gut gelaunt. Einen kleinen Jungen, der sich an den Sicherheitsleuten
vorbei auf den Platz geschlichen hatte, nahm er lächelnd in die Arme.

Der Wutausbruch des Trainers nach dem 1:1 gegen Kroatien und das Zittern ums Weiterkommen sind abgehakt. "Wir haben ein Ziel vor Augen", sagte Spalletti vor
der Partie am Samstag (18.00 Uhr/RTL/Magenta TV) in Berlin.

Das Ziel heißt Titelverteidigung und EM-Finale in Berlin - an jenem
Sehnsuchtsort, wo die Azzurri 2006 Weltmeister wurden. Für die erste Partie der
K.-o.-Runde kehrt die Mannschaft nun schon etwas früher ins Olympiastadion
zurück und trifft auf viele Bekannte. Sechs Spieler aus dem Kader des Schweizer
Trainers Murat Yakin spielen in der Serie A.

61 Mal trafen die Teams bereits aufeinander, auch bei der EM 2021, als
Italien in Rom mit 3:0 gewann. Eine Rechnung offen haben die Azzurri zudem, weil
zwei Remis gegen die Schweiz sie die WM-Teilnahme 2022 kosteten.
Mittelfeldspieler Jorginho, der auch bei diesem Turnier Stammspieler ist,
verschoss dabei zwei Elfmeter. Was die Sportzeitung "Corriere dello Sport" schon
als Anlass für sorgenvolle Spekulationen über ein mögliches Elfmeterschießen
nahm.

Bei der Schweiz "funktioniert vieles"

"Italien ist der Favorit. Die Vorfreude ist schon extrem groß", sagte der
Schweizer Michel Aebischer, der beim FC Bologna spielt. Fehlen wird Italien
allerdings der nach Ansicht von TV-Experte Christoph Kramer bislang beste
Spieler des Turniers: Aebischers Teamkollege aus Bologna, Verteidiger Riccardo
Calafiori, ist nach seiner zweiten Gelben Karte gesperrt. "Es tut mir leid für
ihn, er ist ein sehr starker Spieler. Deshalb ist es für uns gut, dass er nicht
spielen kann", sagte Aebischer.

Ob die Favoritenrolle tatsächlich so klar verteilt ist, wie der 27-Jährige
es darstellt, ist fraglich. Seit der WM 2014 haben die Eidgenossen bei jedem
großen Turnier die K.-o.-Phase erreicht. Bei der vergangenen EM schockten sie im
Achtelfinale den damals amtierenden Weltmeister Frankreich und zogen erstmals
ins Viertelfinale ein.

In der Gruppenphase bei dieser EM überzeugten die Schweizer vor allem beim
1:1 gegen Deutschland. "Bis jetzt funktioniert bei uns vieles", sagte Yakin. In
der K.-o.-Phase herrsche natürlich ein "anderer Erwartungsdruck", das Team
verfüge aber über "genug Qualität und Erfahrung".

Italiens "Last der Erwartungen"

Italien braucht jedenfalls eine klare Leistungssteigerung im Vergleich zum
letzten Gruppenspiel, in dem erst ein Tor von Mattia Zaccagni nach Vorlage von
Calafiori in letzter Minute das Weiterkommen sicherte. Im Land des viermaligen
Weltmeisters gab es anschließend viel Kritik an Aufstellung, Leistung und
Auftreten der Mannschaft - was Spalletti mit einer wütenden Abrechnung konterte.
"Das Weiterkommen war verdient und das genießen wir jetzt", sagte er. "Und dann
werden wir versuchen, uns zu verbessern."

Nach dem viel kritisierten Abgang von Europameister-Coach Roberto Mancini
hatte Spalletti nur zehn Monate Zeit, um dem Team seine Ideen zu vermitteln. Das
könnte sich nun rächen. Gegen Kroatien veränderte der 65-Jährige sein System,
doch viel lief nicht rund.

Im Duell mit den Eidgenossen dürfte Spalletti seine Elf daher erneut
umbauen, vor allem in der Offensive. "Vielleicht bremst uns manchmal die Last
der Erwartungen. Wir haben nicht diese Erfahrung", sagte der 65-Jährige.

Die einfachere Turnierhälfte?

Eins haben jedoch beide Teams schon festgestellt: Die Gelegenheit für einen
Durchmarsch bis nach Berlin könnte günstig sein. Die Favoriten Deutschland,
Spanien, Frankreich und Portugal spielen alle in der anderen Turnierhälfte
weiter.

"Absolut ist unsere Turnierhälfte einfacher als die andere. Aber jedes Spiel ist schwierig", sagte Italiens Alessandro Buongiorno. Aebischer warnte: "Es
bringt nichts zu schauen, wer im Viertelfinale oder Halbfinale kommen könnte.
Erst müssen wir das Spiel am Samstag gewinnen."/mms/DP/jha

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