30.06.2024 14:33:32 - dpa-AFX: Teureres D-Ticket, Sondervermögen? Wo Geld für die Bahn herkommen
BERLIN (dpa-AFX) - Wie lange können die Menschen in Deutschland noch für 49
Euro im Monat durchs Land fahren? Finanzminister Christian Lindner hat die
Debatte um eine Preiserhöhung beim Deutschlandticket angesichts dringender
Bahn-Investitionen neu angefacht. "Irgendwann muss die Politik entscheiden, ob
wir eher in die Schiene investieren wollen oder ob der Preis von 49 Euro bleiben
soll", sagte der FDP-Politiker der "Welt am Sonntag". Vom Koalitionspartner SPD
kommt Kritik.
Über den Preis des Deutschlandtickets gibt es schon länger Streit. Bund und
Länder subventionieren das Angebot pro Jahr mit jeweils 1,5 Milliarden Euro.
Eine Preisgarantie seitens des Bundes und der Länder gibt es nur noch für dieses
Jahr. Schon 2025 könnte das Ticket für Nutzerinnen und Nutzer daher teurer
werden.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hält ein maximal zehn Euro teureres Ticket für
die Grenze: "Die Politik darf bei der Preissteigerung nicht übertreiben. Das
Ticket darf im kommenden Jahr nicht teurer werden als 59 Euro", sagte der
Bundesvorsitzende Detlef Neuß dem WDR.
"Übergünstiges Ticket" für kaputte Schienen?
Die SPD geht auf Konfrontation zu Lindners Vorstoß: Das Deutschlandticket
sei ein "absolutes Erfolgsprojekt", sagte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller der
Deutschen Presse-Agentur. "Ein wichtiger Faktor für diesen Erfolg ist
Planbarkeit und Preisstabilität des Angebotes. Beides darf im Rahmen der
Haushaltsverhandlungen nicht zur Disposition gestellt werden."
Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sieht seine Befürchtungen bestätigt,
dass die Förderung für "das übergünstige deutschlandweite ÖPNV-Ticket" nun bei
der Schieneninfrastruktur fehle. "Es bringt überhaupt nichts, ein Ticket
bereitzustellen, wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren", sagte
der Oppositionspolitiker.
Die Bahn braucht viele Milliarden
Die anstehende Generalsanierung der Bahn fordert Milliardeninvestitionen des
klammen Bundes. Bis zum Jahr 2030 will der Konzern 40 hoch belastete Strecken
grundlegend sanieren, um wieder pünktlicher und zuverlässiger zu werden. Ein
Abbau der Förderung für das Deutschlandticket wäre also nur ein Tropfen auf den
heißen Stein.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat daher andere Ideen: Um die
Bahn nachhaltig zu modernisieren, fordert er im "Spiegel": "Es müssten
mindestens 100 Milliarden Euro auf zehn Jahre mobilisiert werden, um die
Kernsubstanz der Bahn zu modernisieren." Auf die Frage, ob er ein Sondervermögen
wie bei der Bundeswehr fordere, sagte er: "Das wäre mein Ansatz, ja. Aber es
sollte eine Lösung unabhängig vom Bundeshaushalt sein." Bei dem erwähnten
Sondervermögen handelt es sich um einen kreditfinanzierten Sondertopf von 100
Milliarden Euro, mit dem die Bundeswehr vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs
besser ausgerüstet werden soll.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte zur Finanzierung der
Schiene bereits vor einigen Monaten einen Infrastrukturfonds ins Spiel gebracht,
in dem Finanzmittel für Schienen, Straßen und Wasserwege für mehrere Jahre
gebündelt werden sollen. Daran sollen sich auch private Kapitalgeber beteiligen.
Umgesetzt ist dieses Vorhaben aber noch nicht.
Es drohen höhere Preise und weniger Verbindungen
Ramelow kritisierte angesichts der unklaren Finanzierungsbedingungen eine
drohende Ausdünnung des Streckennetzes, über die der "Spiegel" kürzlich
berichtet hatte. Statt mehr Zugverkehr drohen bei der Bahn demnach künftig
höhere Ticketpreise und weniger Verbindungen auf nicht gut nachgefragten
Strecken. Grund sind nach Angaben des bundeseigenen Konzerns die geplanten
Trassenpreissteigerungen, die vor allem das Fahren von Fernverkehrszügen ab 2025
deutlich teuer machen könnten. Die Bahn betonte jedoch auch, dass es "aktuell
keine konkreten Pläne zur Streichung" der im "Spiegel" genannten Verbindungen
gebe./swe/DP/nas