Marktinformationen

01.07.2024 06:35:01 - dpa-AFX: ROUNDUP: Cannabis-Anbauvereine können starten - aber wie?

BERLIN (dpa-AFX) - Seit drei Monaten ist Kiffen in Deutschland für
Volljährige legal - mit zahlreichen Beschränkungen und Vorgaben, die auch den
Cannabis-Anbau in einer privaten Wohnung ermöglichen. Aber nur begrenzt auf je
drei Pflanzen. Von Montag an können jetzt auch Vereine an den Start gehen, die
gemeinsam größere Mengen produzieren wollen. Dafür gelten aber ebenfalls
Auflagen, und Interessierte müssen erst einmal Behördenanträge und einige andere
Vorbereitungen angehen. Bis zum Pflanzen, Ernten und den ersten Joints dürfte es
noch mehrere Wochen dauern.

Das umstrittene Gesetz, das Besitz und Anbau der Droge für Volljährige zum
Eigenkonsum erlaubt, gilt inzwischen seit dem 1. April. Und erklärtes Ziel ist,
den kriminellen Schwarzmarkt zurückzudrängen, wo Cannabis mit Beimengungen und
hohen Konzentrationen gehandelt wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) argumentiert, dass es dann aber eine ausreichende Menge an legalem Stoff
braucht - kommen kann der künftig auch aus speziellen Anbau-Einrichtungen.

Was genau sind die Anbauvereine?

Erlaubt sind jetzt "Anbauvereinigungen", wie sie offiziell heißen. Also so
etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis
nicht-kommerziell anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Organisiert
sein müssen sie als eingetragene Vereine oder Genossenschaften - als Stiftung
oder Unternehmen geht es nicht. Zum Zweck gehört es dem Gesetz zufolge auch,
Cannabis-Samen und Stecklinge weitergeben zu können und über Suchtvorbeugung zu
informieren.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Die Mitglieder müssen mindestens sechs Monate in Deutschland wohnen, und für Mitgliedschaften muss eine Mindestzeit von drei Monaten gelten. Das soll laut
Ministerium Drogentourismus vermeiden. Die Vorstandsmitglieder dürfen nicht
wegen Drogendelikten vorbestraft sein. Das Anbau-Areal darf kein Wohngebäude
sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch
Cannabis-Konsum vor Ort und 100 Meter um den Eingang herum. Zu Schulen,
Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen müssen es mindestens
200 Meter Abstand sein.

Was können Vereine jetzt tun?

Loslegen können Anbauvereine nun damit, eine amtliche Erlaubnis zu
beantragen. Angeben müssen sie unter anderem die Mitgliederzahl, Standort und
Größe der Anbauflächen, voraussichtliche Cannabis-Jahresmengen,
Sicherungsmaßnahmen und ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept. Die Erlaubnis
gilt dann befristet für sieben Jahre, nach fünf Jahren kann sie verlängert
werden. Zu rechnen ist bei den Anträgen mit drei Monaten Bearbeitungszeit, wie
es aus mehreren Ländern hieß.

Wo können Vereine Anträge stellen?

Der Deutsche Städtetag beklagte, dass es wenige Tage vor dem Start noch
nicht überall abschließend klar war, wer für Genehmigungen und Kontrollen
zuständig ist. Festlegen sollen das die Länder, und so gibt es nun verschiedene
Stellen für Anträge - von der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen über das
Regierungspräsidium in Freiburg für ganz Baden-Württemberg bis zum Landesamt für
Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz. Im Land Berlin gibt es noch
keine Verordnung. Die "Auffangzuständigkeit" liegt vorerst bei den Bezirken, wie
es aus dem Senat hieß. Welches Fachamt in den Bezirken zuständig sein soll, war
zunächst unklar.

Wie viel Cannabis bekommen Mitglieder?

Die Mengen sind begrenzt. Pro Tag sind es höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm
mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der
Stoff mit der Rauschwirkung. Auch anbauen dürfen die Vereine nicht einfach so
viel, wie sie wollen. Die Erlaubnis gilt für feste Jahresmengen, die sich am
Eigenbedarf der Mitglieder orientieren. Mehr muss vernichtet werden. Nur
Mitglieder dürfen Pflanzen anbauen, gießen, düngen, beschneiden - keine
bezahlten Beschäftigten. Mitglieder dürfen das Cannabis nicht an andere
weitergeben, zulässig ist dies nur für Samen.

Welche Vorgaben gibt es noch?

Um Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort entgegennehmen, den
Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur
Cannabis in Reinform: als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana)
oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin
oder Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel
müssen unter anderem Gewicht, Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt und
Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis darf nicht
verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereine durch ihre
Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten für die Vereine
und regelmäßige amtliche Kontrollen.

Werden viele Anbauvereine entstehen?

Wie groß der Andrang ist, muss sich jetzt zeigen. Der
Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) sprach von "hohem Interesse" bei
Clubs, die in Gründung seien und sich vorbereiteten. Rückmeldungen bei ihm
zufolge könnte mindestens eine hohe dreistellige Zahl an Vereinen entstehen. Das
Gesundheitsministerium legte einer Kostenschätzung im Gesetzentwurf zugrunde,
dass im ersten Jahr 1000 und im zweiten bis fünften Jahr noch jeweils 500
Vereine entstehen dürften.

Wie geht es weiter?

Auf Wunsch der Länder schärfte der Bund gerade noch einige Vorgaben nach,
damit keine größeren Cannabis-Plantagen entstehen. Die Länder können auch
jeweils bei sich eine im Gesetz gegebene Möglichkeit anwenden, die Zahl der
Anbauvereine in einem Kreis oder einer Stadt auf einen Verein je 6000 Einwohner
zu begrenzen. Ein vorerst letztes Gesetz mit Cannabis-Regeln für Autofahrerinnen
und Autofahrer soll der Bundesrat am 5. Juli billigen. Für THC am Steuer soll
dann künftig ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut gelten - ähnlich
wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. In Kraft treten dürfte das Gesetz samt
Bußgeldern bei Verstößen noch im Sommer./sam/DP/zb

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH