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01.07.2024 06:30:02 - dpa-AFX: ROUNDUP/Wechsel im Ratsvorsitz: Orban ist nun am Zug in der EU

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die nächsten sechs Monate hat Ungarn die
EU-Ratspräsidentschaft inne. Die Budapester Regierung hat sich vorgenommen, mit
der Präsidentschaft die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU
voranzutreiben. Um das Wachstum zu fördern, wolle man ein neues Abkommen dazu
verabschieden, teilte die Regierung zur Übernahme des EU-Ratsvorsitzes an diesem
Montag mit. Außerdem soll illegale Migration besser bekämpft werden - unter
anderem durch Deals mit Drittstaaten.

Der Ratsvorsitz der EU wechselt alle sechs Monate zwischen den 27
Mitgliedstaaten. Regierungsvertreter aus Ungarn werden damit bis Ende Dezember
die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei
Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln.

Orban ist für EU-kritische Haltung bekannt

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist für seine EU-kritische
Haltung bekannt. Immer wieder geriet er in der Vergangenheit mit den anderen
Mitgliedstaaten aneinander und blockierte bei wichtigen Abstimmungen. So in
letzter Zeit vor allem bei der Unterstützung für die von Russland angegriffene
Ukraine und Sanktionen gegen Moskau.

"Die Präsidentschaft bedeutet nicht, dass man der Chef von Europa ist. Die
Präsidentschaft bedeutet, dass Sie derjenige sind, der den Kompromiss machen
muss", gab der scheidende belgische Ministerpräsident Alexander De Croo seinem
Budapester Kollegen zuletzt in Brüssel mit auf den Weg. Zuvor hatte Belgien die
EU-Ratspräsidentschaft inne.

Budapest will Europa "wieder großartig machen"

Inwiefern Orban das annehmen wird, ist fraglich. Und die Ukraine wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter eine große Rolle für die EU spielen - wenn
es um weitere Hilfen geht, aber auch bei den laufenden Beitrittsgesprächen mit
dem Land. Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich zudem erst
kürzlich darauf, dass Europa in militärischen Belangen weniger abhängig werden
und seine Rüstungsindustrie deutlich stärken soll. Hier liegt es nun an Ungarn,
diese Bestrebung voranzutreiben.

Zuvor hatte die rechtsnationale ungarische Regierung mit ihrem Motto für die Ratspräsidentschaft für Schlagzeilen gesorgt: "Make Europe Great Again" - ein
abgewandelter Wahlkampf-Slogan des umstrittenen amerikanischen Ex-Präsidenten
Donald Trump. Auf Deutsch bedeutet der Spruch so viel wie "Macht Europa wieder
großartig".

In der Vergangenheit hatten sich Orban und Trump immer wieder gegenseitig
gelobt. Erst im März pries Orban Trump bei einem Treffen als "Präsidenten des
Friedens", während der Amerikaner den Ungarn wiederum als "besten Führer"
überhaupt rühmte.

Wie genau diese Führung mit Blick auf den Ratsvorsitz aussehen wird, wird
sich zeigen. Doch am Ende ist auch die Macht der Ratspräsidentschaft begrenzt:
Die Gesetzesvorschläge gehen von der EU-Kommission aus. Der Wortlaut der
Rechtstexte wird dann vom EU-Staaten und Parlament final ausgehandelt. Zudem
sind jetzt - drei Wochen nach der Europawahl - weder die Kommission noch das
Parlament voll arbeitsfähig. Zahlreiche wichtige Positionen müssen noch vergeben
werden. Viele neue Gesetzesinitiativen sind daher in dieser Phase nicht zu
erwarten.

Orban schmiedet rechtes Parteienbündnis

Orban will aber auch im EU-Parlament seinen Einfluss ausbauen. Einen Tag vor Übernahme der Ratspräsidentschaft kündigte Orban die Gründung einer neuen
Rechtsaußen-Fraktion im Parlament an. Die Gruppierung "Patrioten für Europa"
umfasst neben der ungarischen Regierungspartei Fidesz die rechte österreichische
FPÖ und die liberal-populistische tschechische ANO. Das Bündnis ist für weitere
Parteien offen, die sich zu dem am Sonntag von den drei Parteichefs in Wien
unterzeichneten "Patriotischen Manifest" bekennen.

Mit dem erhofften Zulauf würde die Gruppierung zur "größten Fraktion der
rechtsgerichteten Kräfte Europas" aufsteigen, so Orban. Ihr Manifest enthält die
bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien:
Ablehnung von Migration und "Green Deal", keine Unterstützung der von Russland
angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung
der Souveränität der Nationalstaaten.

Schließt sich die AfD an?

Die drei Parteien bekamen bei der EU-Wahl in ihren jeweiligen Ländern die
meisten Stimmen. Fidesz stellt elf Abgeordnete im neuen Europaparlament, ANO
sieben und die FPÖ sechs. Insgesamt verfügen sie damit über 24 der 705 Vertreter
in dem EU-Gremium. Für die Bildung einer Fraktion sind insgesamt mindestens 23
Abgeordnete aus 7 Ländern erforderlich.

Inhaltlich bestehen vor allem bei Fidesz und FPÖ viele Berührungspunkte mit
der AfD, die kurz vor der Europawahl aus der rechten ID-Fraktion ausgeschlossen
worden war. Am Rande des AfD-Bundesparteitags in Essen wollte sich AfD-Chef Tino
Chrupalla am Sonntag auf Anfrage aber nicht zu Orbans Plänen äußern.

Der AfD-Europaparlamentarier Marc Jongen äußerte sich hingegen im
Deutschlandfunk wohlwollend. "Also wenn es nach mir ginge, dann würden wir
dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten." Das "Patriotische Manifest" könne
seine Partei "sofort unterschreiben". Inhaltlich sei man "Orban sehr nahe", man
arbeite daran, "eine formelle Zusammenarbeit in der Zukunft
herzustellen"./svv/DP/zb

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