19.05.2024 15:05:27 - dpa-AFX: Experte: Bundeswehr und Westen mit viel Nachholbedarf bei Drohnen

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der umfangreichen Nutzung von Drohnen im
russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sieht ein Experte noch großen
Nachholbedarf bei der Bundeswehr und ihren Partnern. "Die wenigsten Armeen auf
der Welt sind gerüstet für so einen Fall", sagte Fabian Hinz von der Denkfabrik
IISS in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. "Die Bundeswehr wird sicherlich
auch Probleme haben, einfach, weil das, was wir jetzt in der Ukraine sehen, der
massive Einsatz von kleinen, kommerziell verfügbaren Drohnen, eine neue
Erfahrung ist."

Heron als erster, wichtiger Schritt

Den Flugbetrieb der neuen und mit Raketen bestückbaren Aufklärungsdrohne
Heron TP lobte Hinz als wichtigen Schritt. Bisher habe die Bundeswehr Drohnen
nur im Ausland genutzt. "Der Einsatz innerhalb Deutschlands ist mit gewissen
bürokratischen Hindernissen verbunden, die durchaus gravierend sein können",
sagte Hinz. Dass sich das geändert habe, sei ein wichtiger Meilenstein. Doch
gebe es grundsätzlich noch viel Luft.

"Prinzipiell ist die große Herausforderung, zu wissen, was überhaupt die
Lehren aus der Ukraine sind", sagte Hinz. Unterschiedliche Systeme seien in
verschiedenen Phasen nützlich gewesen. "Die Regeln für die moderne
Drohnenkriegsführung werden erst jetzt geschrieben. Deswegen ist es sehr, sehr
schwierig, die richtigen Lehren aus dem Krieg zu ziehen und zu antizipieren, was
in ein paar Jahren kommen wird und mit welchen Bedrohungen man konfrontiert sein
wird."

Entwicklung verschlafen

Hinz kritisierte, dass Deutschland längere Zeit die Entwicklung verschlafen
habe. Dabei sei das Design für eine der ersten sogenannten Selbstmord-Drohnen,
die Drohne Anti-Radar zum Einsatz gegen gegnerische Radarstellungen, Ende der
1980er Jahre von Dornier entwickelt worden. Sie sei aber in Deutschland nie in
Produktion gegangen. "Dann hat das Design irgendwie seinen Weg nach Israel
gefunden. Die Israelis haben diese Drohnen dann gebaut als Harpy und
weiterentwickelt in die Harop." Die Iraner wiederum hätten die Harpy kopiert,
vergrößert und die Steuerung angepasst. "Daraus wurde dann die Shahed-136."
Diese Drohne wird auch in der Ukraine häufig von russischen Truppen eingesetzt.

"Wäre Deutschland diesen Weg damals weitergegangen, dann wäre man jetzt
natürlich sehr, sehr viel weiter und hätte auch tatsächlich sehr, sehr
schlagkräftige Waffen, die man auch an seine Partner mit der Ukraine liefern
könnte", sagte Hinz. Auch aus anderer Forschung sei kein wirklich einsatzfähiges
Produkt entstanden. "Das ist das prinzipielle Problem. Man hat Forschung, man
hat technologische Entwicklung, man hat dann teilweise Prototypen. Aber es war
einfach nicht der politische Wille dahinter, die Technologie, die man hat, in
ein einsatzfähiges Produkt zu übersetzen." Grund sei das Ende des Kalten Kriegs
gewesen. Damals habe Verteidigung als schmutziges Geschäft gegolten. "Und
Drohnen sind natürlich deutlich "schmutziger"."/bvi/DP/he

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH