16.06.2024 16:57:08 - dpa-AFX: Kreml droht mit schärferen Forderungen bei Ablehnung der Putin-Offerte

MOSKAU (dpa-AFX) - Der Kreml hat den Druck auf die Ukraine mit der Drohung
nach einer Verschärfung seiner Gebietsforderungen erhöht. Alle
Friedensinitiativen von Präsident Wladimir Putin seien auch an die aktuellen
Umstände an der Front gebunden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem
Interview für das russische Staatsfernsehen, welches der kremlnahe
Berichterstatter Pawel Sarubin am Sonntag vorab auf Telegram veröffentlichte.
"Jedes Mal verschlechtern sie sich für die Ukraine." Die Dynamik an der Front
zeige, dass die Lage für Kiew sich auch weiter verschlechtern werde. Ein
verantwortungsvoller Politiker würde sich Putins Angebot daher durch den Kopf
gehen lassen, sagte Peskow.

Zugleich erklärte der 56-Jährige, dass der Kreml kein Interesse an einem
Vertragsabschluss mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe.
Dieser sei nach Ablauf seiner Amtszeit kein legitimer Vertreter Kiews mehr. Die
Ukraine konnte wegen des russischen Angriffskriegs und der Besetzung von Teilen
des Landes keine Wahlen abhalten. Das Kriegsrecht deckt nach Angaben
ukrainischer Juristen aber die Verlängerung der Vollmachten Selenskyjs. Die von
Moskau immer wieder vorgebrachte These soll wohl dazu dienen, innerhalb der
Ukraine Unruhe zu stiften und auch außenpolitisch die Glaubwürdigkeit Selenskyjs
infrage zu stellen.

Putin hatte vor wenigen Tagen als Vorbedingung für Verhandlungen den
völligen Abzug ukrainischer Truppen aus den Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk
und Saporischschja gefordert. Diese beansprucht Moskau - ebenso wie die bereits
seit 2014 annektierte Krim - für sich, obwohl die russischen Truppen sie bislang
nur zum Teil kontrollieren. Die Ukraine hat die Forderungen des Kremls als
absurd und manipulativ abgelehnt. "Putin strebt keinen Frieden an, er will die
Welt spalten", hieß es in einer Mitteilung des ukrainischen Außenministeriums.
Es gehe ihm darum, sich in dem von ihm selbst ausgelösten Krieg als
Friedensstifter darzustellen. Auch im Westen stießen Putins Forderungen
weitgehend als "Diktatfrieden" auf Ablehnung.

Die Drohung Russlands, in der nächsten Verhandlungsrunde noch mehr
einzufordern, dürfte die ukrainische Führung nur wenig schrecken. Nach
Berechnungen des unabhängigen Internetportals Meduza würde Russland die vier
beanspruchten Gebiete erst in 14 Jahren wirklich kontrollieren, wenn das Tempo
der Eroberungen im Vergleich zu den vergangenen Monaten etwa gleich
bleibt./bal/DP/men

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